Systemaufbauten sind nicht vorgeschrieben, aber verpflichtend
Vorstrich, Spachtelmasse und Klebstoff von einem Hersteller zu verwenden und dabei auf seine Aufbauempfehlung zu vertrauen, ist eigentlich ein ungeschriebenes Gesetz. Wer glaubt, dass Systemaufbauten nur geschicktes Marketing zur Kundenbindung sind, tut den Verlegewerkstoffanbietern Unrecht: Denn sie dürfen – genauso wie Bodenbelagsanbieter – keine bestimmten Produkte vorschreiben, denn damit würden sie andere ausschließen, was rechtlich nicht haltbar wäre. Ihre Intention ist vielmehr, ein geprüftes System anzubieten, das sich in vergleichbaren Konstellationen – Untergrund, Bodenbelag, Nutzung – bewährt hat. Auch bauen heute viele Produkteigenschaften aufeinander auf, wie beispielsweise das Abbindeverhalten von Dispersionsklebstoffen auf die Saugfähigkeit von Spachtelmassen.
Dennoch kombinieren viele Bodenleger ganz selbstverständlich die Zutaten für ihre Konstruktion, ohne dabei einer Empfehlung, geschweige denn einem Anbieter treu zu bleiben. Die Beweggründe sind dabei oft sehr unterschiedlich und nicht nur davon geprägt, die jeweils „preiswertesten“ Produkte einzusetzen. Einige schwören auf die Spachtelmasse des einen und den Klebstoff des anderen Herstellers, andere lagern für alle Objekte den Bodenausgleich palettenweise ein und wählen je nach Oberbelag nur einen individuellen Klebstoff dazu. Wieder andere müssen einfach nur Restmengen verarbeiten.
Auch wenn in den meisten Fällen die frei gewählte Zusammenstellung ohne erkennbaren Schaden funktioniert, ist das Risiko doch kaum zu kalkulieren, wie der folgende teilfiktive Fall exemplarisch verdeutlicht.
Abgelöster Kautschukbelag
Im Neubau eines Forschungsinstitutes sollten 3,0 mm dicke Kautschuk-Bodenbeläge verlegt werden. Dazu legte der Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten eine Musterfläche an, nach der alle weiteren Flächen ausgeführt werden sollten. Als Untergrund diente ein circa 7,0 cm dicker Zementestrich auf Trennschicht. Da der Bodenleger im Rahmen von CM-Feuchtemessungen keine funktionsfähige Feuchte- beziehungsweise Dampfsperre feststellen konnte, schlug er ein Absperren mit Kunstharz vor. Mit Zustimmung des Auftraggebers wurde eine 2-K-Epoxidharz-Grundierung aufgebracht und mit Quarzsand abgestreut. Die anschließende Egalisierung erfolgte mit einer zementgebundenen Spachtelmasse eines anderen Herstellers. Für die Klebung des Kautschuk-Bodenbelags wurde ein dafür ausgewiesenes Produkt eines dritten Anbieters verwendet.
Nach Fertigstellung zeigte die Musterfläche keinen abnahmefähigen Zustand (Bild 1). Zwecks Überprüfung der Ursache für die Bildung einer Stauchblase vor dem Hohlkehlsockel wurde die Bodenbelagbahn vom Untergrund abgelöst. Dabei zeigte sich, dass sich diese ohne nennenswerten Kraftaufwand „abschälte“ und ein Kohäsionsbruch innerhalb der oberen Spachtelmassenrandzone erkennbar wurde (Bilder 2 bis 4).
Orientierende Kratzprüfungen auf der Oberfläche der am Untergrund verbliebenen Spachtelmasse zeigten, dass diese keine „innere Festigkeit“ aufwies: Die Kratzbeanspruchung führte direkt bis zur Oberfläche des mit Epoxidharz vorgestrichenen Untergrundes (Bilder 5 und 6).
Die weitergehende Überprüfung ergab, dass sich die zementäre Spachtelmasse infolge geringer Adhäsion vom Untergrund ablöste (Bilder 7 und 8).
Bei näherer Untersuchung wurde festgestellt, dass die fehlende Adhäsion der Spachtelmassenschicht zur Oberfläche des mit Epoxidharz vorgestrichenen Zementestrichs darauf zurückzuführen war, dass die Oberfläche des Epoxidharzvorstrichs „glänzend glatt“ beschaffen ist. Der im Regelfall in der Frischphase des Epoxidharzvorstrichs aufzubringende Quarzsand wurde den Erscheinungsbildern zufolge in zu geringer Menge dosiert und ist im Vorstrich „versunken“. Die Folge ist, dass der Quarzsand mit einem Epoxidharzfilm überzogen wurde und so eine glatte, dehäsiv wirkende Oberfläche entstand, an der die aufgebrachte Spachtelmasse keine Verkrallung für den kraftschlüssigen Verbund fand. Die Schichtdicke der Spachtelmasse wurde mit 2,0 mm festgestellt (Bild 9).
Beurteilung
Im beschriebenen Fall konnten unter Beachtung der vorgefundenen Erkenntnisse mehrere Faktoren festgestellt werden, die zum Misslingen führten: Offensichtlich wurde das Absperren mit der 2-K-Epoxidharz Grundierung nicht fachgerecht ausgeführt. Zudem weist die Spachtelmassenschicht keine innere Festigkeit auf, was gegebenenfalls auf die geringe Schichtdicke (2,0 mm) in Verbindung mit einem nicht saugfähigen Untergrund zurückgeführt werden kann. Zudem setzt die Verlegeanleitung des 3,0 mm dicken Kautschuk-Bodenbelages bei nicht saugenden Untergründen zwingend eine mindestens 3,0 mm dicke Spachtelmassenschicht voraus. Letztlich erfüllt der gewählte Aufbau auch nicht die Anforderungen in der Leistungsbeschreibung sowie der anerkannten Regeln des Fachs, die jeweils das Arbeiten im System vorgeben.
Was sagt die Norm?
Im Standardwerk „Kommentar und Erläuterungen VOB DIN 18 299 – Allgemeine Regelungen für Bauarbeiten jeder Art“ (Kaulen/Strehle/Kille) heißt es unter Punkt 2.1.3 „Stoffe und Bauteile müssen für den jeweiligen Verwendungszweck geeignet und aufeinander abgestimmt sein“ unter anderem: „Diese Forderung soll den Auftragnehmer zu einer umfassenden Materialkenntnis der von ihm zu liefernden und einzubauenden Stoffe und Bauteile zwingen und ist besonders zu beachten. Diese Forderung umfasst auch, dass Stoffe und Bauteile untereinander verträglich sind (z. B. dass zwischen den Werkstoffschichten keine negativen Wechsel- und Nachfolgewirkungen ausgelöst werden, die den Belag oder den Untergrund beeinträchtigen).“
Und weiter: „Der Auftragnehmer muss also das Fachwissen über seine einzubauenden Stoffe und Bauteile haben, um beurteilen zu können, ob sie für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignet sind, ob sie auf dem vorhandenen Untergrund angebracht werden können und ob sie die zugesicherten Eigenschaften besitzen.“
Fazit
Im Streitfall wird es für den Bodenleger schwer den Nachweis zu führen, welches seiner selbst gewählten Produkte womöglich schadensursächlich ist. Da die Abstimmung der Verlegewerkstoffe untereinander nicht gegeben ist und infolgedessen ein nicht kalkulierbares Risiko vorliegt, wird er kaum auf Unterstützung der jeweiligen Hersteller hoffen können.
Der Verarbeiter ist also in diesem Fall für das Funktionieren des Systems allein verantwortlich. Nur wer im System arbeitet, das heißt den Empfehlungen der Werkstoffindustrie folgend einen Vorstrich, eine Spachtelmasse und einen Klebstoff aus einer Produktenpalette wählt, kann sich bei Nichtfunktionieren auf den Lieferanten berufen und eine Beanstandung aussprechen, vorausgesetzt, dass der Klebstoff vom Bodenbelaghersteller „freigegeben“ ist.
Systemaufbauten sind daher aus unserer Sicht verpflichtend anzuwenden.