Wisch und Weg – Teil 1

Teil1: Oberflächenbeschichtung elastischer Bodenbeläge versprechen reduzierte Unterhaltskosten: Alles nur Marketing?

Text: Jens Lehmann, Richard A. Kille Fotos: IFR Köln

Elastische Objekt-Bodenbeläge werden heute fast ausnahmslos mit einer speziellen Oberflächenbeschichtung ausgeliefert, die die Reinigung erleichtern und in vielen Fällen die Einpflege überflüssig machen soll. „Sie schenken sich die Einpflege. Lebenslang. Garantiert, bei Einhaltung der Reinigungs- und Pflegehinweise“, so die vollmundige Aussage eines Anbieters. Aussagen wie diese und dazu Hinweise wie „Kostenersparnis bis zu 30 Prozent“ erwecken den Eindruck, als gehöre die Pflege elastischer Bodenbeläge der Vergangenheit an. Alles nur Marketing oder können die neuen Beläge tatsächlich mehr als die alten?

Eines vorweg: Wirklich neu sind diese Ausrüstungen nicht. Oberflächenbeschichtungen sind bereits seit Mitte der siebziger Jahre auf dem Markt – entsprechend hoch dürften die Erfahrungen der Industrie beim Umgang damit sein. Wobei die Vielzahl der Hersteller erst in den vergangenen Jahren von der Option, elastische Beläge mit entsprechenden Schutzschichten werkseitig auszustatten, Gebrauch gemacht hat.

Ziel solcher Vergütungen war und ist es, die Reinigung und Pflege ökologisch und ökonomisch zu optimieren. Und auch das sei vorangestellt: Egal ob die werkseitigen Beschichtungen unter anderem mit den Bezeichnungen PU, PUR, Acryl oder Nanosystem versehen werden, sicher ist, dass sie einfacher zu reinigen sind als nicht vergütete Oberflächen.

„Bedarfsreinigung“ macht den Belägen zu schaffen

Die Bestrebungen der Bodenbelagshersteller, ihre Produkte „pflegeleichter“ zu machen, sind ursächlich darin begründet, dass nicht allein die Erstinvestition für die Wirtschaftlichkeit eines Bodenbelags maßgebend ist. Entscheidend für die Belagswahl in einem Objekt ist eine sogenannte Lebensdauerkostenanalyse, die den Bodenbelag von der Verlegung über den Unterhalt bis zur Entsorgung bewertet.

Diese Analysen gehen davon aus, dass die Unterhaltskosten für elastische Bodenbeläge zwischen 80 und 90 Prozent der Lebensdauerkosten ausmachen. Lediglich zehn bis 20 Prozent entfallen auf die Anschaffung des Belags. Um an Attraktivität zu gewinnen und gegen Konkurrenzprodukte gewappnet zu sein, versucht man, die Unterhaltskosten zu senken.

Ist ein PUR-vergüteter Belag in diesem Klassenraum die richtige Wahl? Reicht es, den Grobschmutz zu entfernen? Kann auf eine Einpflege verzichtet werden?
Ist ein PUR-vergüteter Belag in diesem Klassenraum die richtige Wahl? Reicht es, den Grobschmutz zu entfernen? Kann auf eine Einpflege verzichtet werden?


Auf der anderen Seite reduzieren sich die Ausgaben für den Unterhalt der Gebäude permanent – nicht nur bei öffentlichen Auftraggebern: In Zeiten leerer Kassen werden Bodenbeläge nicht mehr so häufig gereinigt wie früher, auf eine werterhaltende Pflege wird oftmals verzichtet. Statt der fachgerechten und empfohlenen „Unterhaltsreinigung“ werden „Bedarfsreinigungen“ – gelegentlich sogar nur „Sichtreinigungen“ – durchgeführt. Um den damit zwangsläufig erhöhten Anforderungen an die Strapazierfähigkeit der Bodenbeläge gerecht zu werden, müssen verbesserte Oberflächen die mangelnde Reinigung und Pflege kompensieren.


 
Genügt es, diesen Flur einer „Bedarfsreinigung“ zu unterziehen?
Genügt es, diesen Flur einer „Bedarfsreinigung“ zu unterziehen?

Unterschiede im Detail

In den vergangenen Jahren kamen elastische Bodenbeläge überwiegend nicht ohne Einpflege aus. Das Aufbringen einer sogenannten „Opferschicht“ hatte den Sinn, dass nicht die Oberfläche des Bodenbelags strapaziert wird, sondern eine Pflegemittelschicht als Barriere abgenutzt und bei Bedarf wieder „aufgefrischt“ werden kann. Bei den „modernen“ elastischen Bodenbelägen, wie PVC, Linoleum oder Gummi, übernimmt die werkseitige Beschichtung diese Funktion, wobei Unterschiede im Detail gravierende Auswirkungen auf die Möglichkeiten der Oberflächensanierung haben.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit unterscheiden wir folgende Konstruktionen elastischer Beläge:

a) ohne Beschichtung (klassisch Standard);
b) mit einschichtiger Oberflächenvergütung;
c) mit zweischichtiger Oberflächenvergütung;
d) mit Oberflächenvergütung, die mit Einsatz von Reinigungschemie entfernt werden kann;
e) mit Oberflächenvergütung, die nur durch Schleifen – partiell oder vollflächig – entfernbar ist.

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1 + 2: Lassen sich die Kratzspuren in dieser PUR-Beschichtung wieder entfernen, oder kann nur eine vollflächige Sanierung Abhilfe schaffen?

 
Die Unterscheidungsmerkmale zu den Punkten d) und e) sind bedeutsam: Über die Jahre des Gebrauchs – aber auch durch Beschädigungen oder (partielle) vorzeitige Abnutzung – kann die Situation entstehen, dass auch eine werkseitige Oberflächenvergütung erneuert werden muss. Dabei spielt die Frage, wie und in welcher Art die vorhandenen Restsubstanzen der Schutzschicht entfernbar sind, ebenso eine Rolle, wie die Frage nach den Möglichkeiten, eine neue Schicht „aufzubauen“ oder eine abgenutzte wieder zu „renovieren“.

Hierbei kommen die Unterschiede der Oberflächensysteme deutlich zum Tragen: Während Oberflächen konventioneller Beläge (ohne werkseitige Vergütung) „problemlos“ renoviert werden können, zeigen vor allem PUR-Beschichtungen deutliche Grenzen: Die Sanierung erfolgt durch Anschleifen mit einem speziellen Sanierungspad und einem anschließenden Lackieren mit einem PU-Lack. Anders sieht es bei acrylbasierten Vergütungen beispielsweise auf Linoleumbelägen aus: Enthaltene Wachsanteile können wieder „aufpoliert“ werden, und auch eine klassische Einpflege ist möglich. Zudem lässt sich durch eine „Zwischenreinigung“ die Oberflächenbeschichtung ablösen und durch eine neue ersetzen, auch partiell.

Aufklärungsbedarf

Werkseitig oberflächenvergütete elastische Bodenbeläge bieten ohne Zweifel Vorteile. Die dargelegten Unterschiede und Besonderheiten stellen aber auch eine Herausforderung für den Verarbeiter dar und erfordern vom Nutzer ein Umdenken beim Unterhalt der Flächen.

Um die Vorteile effektiv zu nutzen, ist von allen Beteiligten – der Industrie, dem Handel sowie dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer – Offenheit gefordert.

Im Teil 2 in der RZ-August-Ausgabe beleuchten wir das Thema unter Beachtung der DIN 18365, aus Sicht der Reinigungsbranche sowie unter haftungsrechtlichen Aspekten