Eine Erkenntnis, die selbst die RZ-Boden-Profis in ihrer Klarheit überrascht hat, war der Auslöser für diese Folge. Es geht um Bodenbeläge in Fliesen- und Planken-Formaten, die unverfugt beziehungsweise unverschweißt in Hygienebereichen verlegt werden. Also beispielsweise LVT-Beläge in Arztpraxen. An der Tagesordnung ist, dass hier in gewohnter Weise – ohne Beachtung möglicher Anforderungen an die Hygiene – Verlegungen angeboten und ausgeführt werden, so als wäre es ein Ladengeschäft. Viele Bodenbelagsanbieter erwecken mit werblichen Aussagen den Eindruck, dass hier keine besonderen Anforderungen bestehen. Einige bekräftigen den unbedenklichen Einsatz von unverfugten/unverschweißten Bodenbelagselementen in Gesundheitseinrichtungen sogar mit Stellungnahmen von Forschungs- und Prüfinstituten. Die Realität kann aber auch anders aussehen!
Belagsart geändert
Wie sich die Situation darstellt, wenn ein Bodenleger für eine Empfehlung – die er in gutem Glauben gegeben hat – massiv unter Druck gerät, verdeutlicht der folgende teilfiktive Fall. Im Rahmen der Renovierung einer Zahnarztpraxis sollen auf über 150 Quadratmetern neue Bodenbeläge verlegt werden, sowohl in Fluren und Wartezimmern als auch in Behandlungsräumen. Hierzu wird die vorhandene Praxiseinrichtung von einem Fachunternehmen ausgebaut, zwischengelagert und nach Abschluss der Verlegemaßnahmen wieder eingebaut. Der Bodenleger entfernt alle Altbeläge sowie alte Verlegewerkstoffschichten und bereitet den Untergrund mit System-Produkten zur Neuverlegung vor.
Parallel hierzu bekommt der Verleger von seinem Lieferanten die Information, dass der von seinem Auftraggeber ausgesuchte Bodenbelag nicht mehr verfügbar ist. Geplant war eine PVC-Bahnenware, die im Nahtbereich gefräst und thermisch verschweißt werden sollte. Die Sockelausbildung war als Wandhochzug geplant. Vorerst einigte man sich als Alternative auf eine heterogene Bahnenware, bei der die Nähte ebenfalls verschweißt werden sollen. Kurz vor Beginn der Arbeiten empfahl der Verleger, doch statt der Bahnenware lieber einen verschnittgünstigeren PVC-Designbelag einzusetzen und bemusterte eine entsprechende Markenware. Diese sollte mit einer Nutzschicht von 0,5 mm optimal für den Einsatzbereich geeignet sein.
Auf den Rat des Fachmanns vertrauend wurde der Vorschlag angenommen und die Verlegung im Systemaufbau mit Produkten eines bekannten Verlegewerkstoffherstellers im Haftklebeverfahren ausgeführt.
Bereits im Zuge der Fertigstellung von Einzelflächen und später nach Abschluss der gesamten Verlegemaßnahme rügte der Auftraggeber die Ausführung: Bemängelt wurden unter anderem sichtbar geöffnete Fugen sowie optisch nicht akzeptable, weil zu geringe, Kopfstoßversätze der Planken. Im Zuge von Reinigungsmaßnahmen stellte sich zudem die Frage, ob die gewählte Bodenbelagsart sowie deren Verlegung den Hygiene-Anforderungen an Arztpraxen tatsächlich gerecht werden. Ein Gutachten sollte Klärung bringen.
Ortstermin
Beim Ortstermin in den in Nutzung befindlichen Praxisräumen wurden die beschriebenen Erscheinungsbilder vorgefunden. Es konnten Fugenbildungen bis 0,9 mm Breite festgestellt werden, ebenso wie optisch unschöne Kopfstoßversätze, die zum Teil nur knapp fünf Zentimeter betrugen. Auch zeigten sich einige Flächenbereiche akustisch hohlklingend, einzelne Elemente hatten im Kantenbereich keine Arretierung zum Untergrund. Die Überprüfung zeigte, dass der auf dem Untergrund aufgetragene Dispersionsklebstoff zum Teil mit stehenden Riefen abgebunden vorlag.
Beurteilung
Die festgestellten Unzulänglichkeiten fallen eindeutig in den Verantwortungsbereich des Auftragnehmers. Zur Klärung des Sachverhalts, ob und inwieweit die verlegten PVC-Design-Bodenbelagplanken grundsätzlich für den Einsatzbereich innerhalb von Arztpraxen geeignet sind, wurde eine entsprechende Anfrage an das zuständige Gesundheitsamt gestellt. Dies teilte unter anderem mit: „Basierend auf den … angeführten Rechtsvorschriften bzw. Empfehlungen sollten Fußböden in Arztpraxen so beschaffen sein, dass eine gesicherte Desinfektion der Fläche bei möglicher Kontamination gewährleistet werden kann. Bei Bodenbelägen, die in Plankenform auf Stoß verlegt werden, ist dies unserer Ansicht nach nicht gegeben. Auch wenn die sich ergebenden Fugen eine Breite in der Größe von 0,1 mm aufweisen, können Mikroorganismen eindringen, welche dann durch die folgenden Desinfektionsmaßnahmen nicht mehr vollständig erfasst werden können.“
1. LVT IN DER ARZTPRAXIS
Auf den ersten Blick schön und praktisch: Ein PVC-Design-
bodenbelag in einer Arztpraxis. Auf den zweiten Blick zeigten sich Verlegefehler, die letztlich zur Grundsatzfrage der generellen Eignung führten.
2. FUGEN
In der Fläche verteilt wurden wiederkehrend Fugenöffnungen sowie Fehlklebungen festgestellt.
3. KOPFSTOSSVERSATZ
Die Kopfstöße zeigten einen optisch unschönen, geringen Versatz sowie Fugenöffnungen.
4. GEFAHRENQUELLE
In die offenen Fugen können Mikroorganismen eindringen, eine Desinfektion wird schwierig.
So geht man vor
- Das örtliche Gesundheitsamt ist zuständig für Fragen zur Art und Beschaffenheit von Fußbodenflächen in Räumen des Gesundheitswesens und so auch in Arztpraxen. Eine objektbezogene Freigabe muss eingeholt werden.
- In Behandlungsräumen (von Arztpraxen), in denen minimalinvasive Eingriffe praktiziert werden, ist ein „fugendichter“ Bodenbelag grundsätzlich erforderlich.
- Die Anforderungen zu Punkt 2 können, insbesondere bei Kunststoff-Design-Bodenbelagplanken, mit einer geeigneten, zusätzlichen Lackversiegelung erfüllt werden. Einige Gesundheitsämter empfehlen diese Vorgehensweise.
- Grundsätzlich empfiehlt es sich, bei Arbeiten in Arztpraxen auch von den Verlegewerkstoff- und Bodenbelagsanbietern eine objektbezogene Freigabe anzufordern: Kommt es in solchen Objekten zu Problemen, übersteigen die Ausfallkosten sowie die Aus- und Einbaukosten der Praxiseinrichtung schnell die eigentlichen Aufwendungen für Nachbesserung oder Austausch des Bodenbelages.
Fazit
Im geschilderten Fall sowie unter Beachtung des Ist-Zustands der verlegten PVC-Design-Beläge innerhalb der Zahnarztpraxis und der allgemeinen, nicht objektbezogenen Stellungnahme des zuständigen Gesundheitsamtes ist es nicht möglich, den Bodenbelag nachzubessern. Um das Anforderungsprofil der Behörde zu erfüllen, muss eine in den Nahtbereichen dicht geschlossene Bodenbelagsfläche hergestellt werden.
Aktuell wurden vom IFR Köln über 30 Gesundheitsämter zu diesem Sachverhalt befragt. Bis zum Redaktionsschluss sind 15 Stellungnahmen eingegangenen, die mehr oder weniger deutlich eine einheitliche Aussage treffen: In Räumen des Gesundheitswesens sind Fugen in Bodenbelägen – egal ob dicht gestoßen oder minimal geöffnet – nicht zulässig.