Aus- und Einbaukosten bei einem Produktmangel trägt der Verleger
Die Situation ist nicht neu, aber immer wieder ärgerlich: Weist ein Bodenbelag einen Mangel auf, den der Verleger nicht zu verantworten hat, bekommt er von seinem Lieferanten zwar die Kosten für einen neuen Belag ersetzt, bleibt aber auf den Aus- und Wiedereinbaukosten sitzen. Eine Sachlage, die der Bundesgerichtshof unter anderem mit dem Urteil Az. VII ZR 226/11 bestätigt hat und die in den Vertragsverhältnissen der Parteien begründet ist.
Um die Rechtsprechung besser zu verstehen, versuchen wir an einem praktischen Beispiel (ohne Bezug zu einem tatsächlichen Fall) einen nachvollziehbaren Sachverhalt darzulegen.
Mangelhafter Parkettboden
In einem Wohnhaus wurden 135 m² Mehrschichtparkett-Elemente auf einem Heizestrich verlegt. Bei dem Parkett handelt es sich um ein Einstab-Zweischicht-Produkt mit einer 3,6 mm starken Nutzschicht in der Holzart Buche. Der Estrich wurde als schwimmende Konstruktion mit einer Warmwasser-Fußbodenheizung ausgeführt. Der Verleger ließ sich den geplanten Aufbau von Seiten des Parkettherstellers freigeben. Die Verlegung der werkseitig versiegelten Parkett-Stäbe erfolgte einwandfrei und wurde Ende 2006 vom Auftraggeber abgenommen.
In der Übergangszeit der Jahre 2009/2010 wurden erste Auffälligkeiten am Parkettfußboden festgestellt: Flächig verteilt war erkennbar, dass sich einzelne Ecken der Decklamellen „hochstellten“, das heißt im Kopfstoßbereich aufschüsselten. In der Folge wurde – auf Empfehlung des Parkettherstellers, der die Aufschüsselungen in Augenschein genommen hat – Raumluftbedampfer zur Erhöhung der relativen Luftfeuchte innerhalb des Hauses aufgestellt. Da keine Verbesserung erzielt wurde, beauftragte der Auftraggeber ein Gutachten, das nach einem Ortstermin Anfang 2013 erstellt wurde.
Fehlklebung der Deckschicht
Im Wesentlichen konnten die beschriebenen Aufschüsselungen im Kopfstoßbereich der Einstab-Zweischicht-Parkettelemente festgestellt werden (Bilder 1 und 2).
Zur näheren Überprüfung wurde im Bereich einer sichtbaren Eckaufschüsselung die Decklamelle bis zur Tragschicht/zum Gegenzug eingeschnitten und vorsichtig abgelöst (Bild 3). Hierbei zeigte sich, dass deckungsgleich zur aufgeschüsselten Außenecke der Decklamelle eine Fehlklebung zur Tragschicht/zum Gegenzug vorliegt (Bild 4).
Die an der Rückseite der Decklamelle nicht vollständig verpressten Klebstoffraupen haben an der Grenzfläche zur Tragschicht/zum Gegenzug keinen kraftschlüssigen Verbund erlangt, so dass keine Klebung vorliegt, die eine feste Verbindung herstellt (Bilder 5 und 6).
Die Tragschicht/der Gegenzug wies hingegen eine feste Verbindung zum Untergrund auf und konnte nur mit „Gewalt“ aus dem Klebstoffbett gelöst werden (Bild 7).
In anderen Prüfstellenbereichen konnten gleiche Erscheinungsbilder festgestellt werden. Die orientierende Überprüfung weiterer aufgeschüsselter Außenecken zeigte wiederkehrend, dass sich die hochstehenden Ecken der Decklammellen unter Druck bewegten und zudem akustisch hohl lagen.
Beurteilung
Auch wenn aus der Überprüfung kein grundsätzliches Verleimungsproblem der eingesetzten Parkettstäbe bewiesen werden kann, deutet die Vielzahl der entsprechenden Erscheinungsbilder in der verlegten Fläche daraufhin. Um den tatsächlichen Umfang des Schadens festzustellen, müssten alle aufgeschüsselten Decklamellen von der Tragschicht/dem Gegenzug abgelöst werden. Da dies einen unverhältnismäßig hohen Aufwand darstellt und auch nicht sicherstellt, dass derzeit noch nicht erkennbare Verleimungsfehler vorliegen und nicht erkannt werden, bleibt nur der vollflächige Austausch der Parkettfläche, um eine einwandfreie Leistung wiederherzustellen.
Für Aus- und Einbau einschließlich neuen Parkettstäben werden rund 11.000 Euro kalkuliert. Der reine Materialanteil für das neu zu liefernde Parkett wird bei über 50 % der Summe liegen. Nicht enthalten sind Kosten, die durch Aus- und Einräumen der Wohnung oder einen möglichen Nutzungsausfall entstehen.
Die Rechtslage
Um die BGH-Entscheidung nachzuvollziehen, betrachten wir die Vertragsverhältnisse und die sich daraus ergebenen Folgerechtsbeziehungen anhand des Beispiels: Der Parketthersteller verkaufte sein Produkt an den Großhändler, dieser veräußerte es weiter an den Bodenleger. Alle drei sind Unternehmer und haben einen Kaufvertrag miteinander geschlossen. Der Hersteller mit dem Großhändler und der Großhändler mit dem Verleger. Der Verleger jedoch schloss mit dem Endkunden (Privatmann) einen Werkvertrag über Lieferung und Einbau des Parketts.
Weist das Parkett nun einen Mangel auf, den der Verleger nicht zu vertreten hat, weil er diesen nicht erkennen konnte und er das Produkt fachgerecht verarbeitet hat, sieht die gültige Rechtslage so aus: Der Großhändler schuldet dem Verleger im Zuge der Nacherfüllung durch Ersatzlieferung (§ 439 Abs. 1 BGB) nur die Bereitstellung eines neuen, mangelfreien Parketts. Aus- und Einbaukosten sind von diesem Nacherfüllungsanspruch bei einem Kaufvertrag nicht umfasst.
Anders sieht es allerdings im Werkvertrag aus, den der Verleger mit seinem Endkunden abgeschlossen hat. Hier haftet der Verleger gegenüber seinem Kunden nicht nur für das Material, sondern auch für seine einwandfreie Verarbeitung. Auch wenn er den Mangel der Parkettstäbe nicht zu vertreten hat, muss er die Aus- und Einbaukosten selbst tragen.
Dieser Situation hätte der Verleger nur entgehen können, wenn sein Auftraggeber (als Privatmann) das Material selbst beim Großhandel oder Hersteller gekauft oder der Verleger das Parkett auf „Kunden-Rechnung“ erworben hätte. In diesen beiden – zugegeben nicht sehr praxisnahen – Fällen hätte der Verkäufer auch die Aus- und Einbaukosten zu tragen, wenn mangelhaftes Material geliefert wurde.
Haftungsübernahme durch Hersteller
Bereits seit über 20 Jahren schließt der Zentralverband Sanitär Heizung Klima mit Herstellern der SHK-Branche sogenannte Gewährleistungs-/Haftungs-übernahmevereinbarungen ab. Dieser Service steht exklusiv Innungsbetrieben im Fachverband zur Verfügung.
Inhalt der Vereinbarung ist es, den Betrieben im Rahmen der Regelung ihrer Gewährleistungsfälle einen Rückgriffsanspruch gegen den Hersteller zu geben, sofern das Produkt des Herstellers den Gewährleistungsfall verursacht hat.
Bei Einbau von Produkten der Gewährleistungspartner haften die Hersteller solange, wie der SHK-Unternehmer von seinem Kunden in Anspruch genommen werden kann (nach VOB-Vertrag 4 Jahre, nach BGB 5 Jahre).
Dies gilt unabhängig davon, ob der entsprechende Anspruch auch gegenüber einem Dritten, etwa dem liefernden Händler, geltend gemacht werden kann.
Diese für alle Beteiligten vorteilhafte Vereinbarung sollte als Vorbild für eine Lösung in der Parkett- und Bodenbelagsbranche herangezogen werden.
Fazit
Dieser an sich unhaltbare Zustand verlangt dringend nach einer Lösung, die die Interessen aller Parteien berücksichtigt. Allerdings drückt sich vor diesbezüglichen Grundsatzentscheidungen der Gesetzgeber ebenso wie die Industrie, die sich allerdings in vielen Fällen kulant zeigt und den Verleger nicht gänzlich im Regen stehen lässt. Dass es auch anders geht, beweist die Sanitärbranche, die seit Jahrzehnten über ihren Zentralverband eine Haftungsübernahmevereinbarung (HFÜ) mit Industriepartnern abgeschlossen hat. Vorerst kann jedem Handwerker nur geraten werden, auf gewachsene Lieferantenbeziehungen und erprobte Materialien zu setzen.