Gerüche lassen sich (noch) nicht einwandfrei bestimmen
Eine Geruchsprüfung von Bauprodukten im Rahmen der bauaufsichtlichen Zulassung (abZ) steht nach wie vor im Raum. Auch wenn das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) als Zulassungsstelle erkannt hat, dass es derzeit an einer objektiven und reproduzierbaren Messmethode fehlt, ist es allem Anschein nach(noch) nicht davon abzubringen.
„Gerüche aus Bauprodukten“ sind auch Thema des Umweltbundesamtes, UBA, das vor allem die Gesundheit des Bürgers im Fokus hat und dabei zu Recht keine Kompromisse eingehen will. Es geht davon aus, dass flüchtige organische Kohlenwasserstoffe (VOC) und Gerüche, die aus Bauprodukten ausgasen, die Gesundheit negativ beeinflussen können. Denn nicht alle Gerüche lassen sich einfach „weglüften“ und viele (schädliche) Emissionen bemerkt die Nase nicht. Das UBA fordert die Reduktion von Geruchsemissionen sowie die Entwicklung und Anwendung einer Methode zur Messung und Bewertung von Gerüchen.
In Deutschland hat sich zur Bewertung der VOC-Emissionen aus Bauprodukten das Schema des Ausschusses zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB-Schema) bewährt. Es wurde und wird aber derzeit auch in einigen Forschungsprojekten, Arbeitsgruppen und Normenausschüssen nach Verfahren gesucht, die die Vorgehensweise bei der Emissionsprüfung harmonisieren sowie die Reproduzierbarkeit und Zuverlässigkeit von Testergebnissen in unterschiedlichen Laboren gewährleisten soll.
Ein erstes Ergebnis ist die CEN TC 351 „Harmonisierte Prüfmethode zur Evaluierung von VOC-Emissionen aus Bauprodukten“ als CEN Technische Spezifikation CEN/TS 16516 „Bauprodukte – Bewertung der Freisetzung von gefährlichen Stoffen – Bestimmung von Emissionen in die Innenraumluft“, die kurz vor der Veröffentlichung steht (Stand Ende Juli 2013). Nach Publikation der harmonisierten Prüfmethode als EN-Standard soll für das CE-Zeichen eine VOC-Emissionsklassifizierung eingeführt werden. Alle nationalen Verordnungen – wie das Ü-Zeichen auf Grundlage der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen (abZ) des DIBts – greifen dann diese CE-Klassifizierungen auf und bestimmen, welche Klassifizierungsstufe sie verwenden.
Bis es soweit ist, wird auf das AgBB-Schema zurückgegriffen, das bereits heute aussagefähige Ergebnisse zu VOC-Emissionen liefert, wie der folgende Fall zeigt.
Beschwerden durch Geruch
In einem Krankenhaus wurden in vier Räumen Fußbodensanierungsmaßnahmen durchgeführt und ein sogenannter Flockvelours mit Vinylrücken verlegt. Für die Untergrundvorbereitungsmaßnahmen sowie für die Klebung des textilen Bodenbelages wurden emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe verwendet. Seit der Verlegung des Flockvelours wird von den Mitarbeitern der Station ein nicht weitergehend spezifizierter Geruch beanstandet, der zu unterschiedlichen Beschwerdeerscheinungen geführt haben soll. Da dieser Geruch auch ein Jahr nach der Verlegung noch von Mitarbeitern beanstandet wurde, beauftragte das Krankenhaus eine Überprüfung.
Bei einem ersten Ortstermin konnte ein nicht direkt spezifizierbarer Geruch erkannt werden, der bei längerem Aufenthalt unter Beachtung des subjektiven Geruchsempfindens als typischer Neugeruch eines verlegten Teppichbodens beurteilt wurde. In der Folge wurde eine Teppichbodenprobe aus dem verlegten Flockvelours inklusive Klebstoffanhaftungen entnommen sowie ein Original-Rückstellmuster (ungebrauchtes Restmaterial) verwendet, um die Bestimmung der Geruchsentwicklung nach der Raumluftkasten-Methode im technischen Labor des IFR vorzunehmen. Die Auswertung ergab, dass der Flockvelours für sich allein (Original-Rückstellmaterial) keine bemerkenswerten Geruchsbildungen verursachte. Die bereits verlegte Teppichbodenprobe mit rückseitigen Klebstoffanhaftungen zeigte allerdings einen deutlich wahrnehmbaren, nicht störenden, typischen textilen Neugeruch. Diese Erkenntnis ist insofern bemerkenswert, als der „typische textile Neugeruch“ in Kombination mit rückseitigen Klebstoffanhaftungen festgestellt wurde und nicht bei der unverlegten, also ungebrauchten Teppichbodenprobe.
Mit Sicht auf die Fürsorge gegenüber den Mitarbeitern der Station wurde zur Feststellung, ob gesundheitliche Gefährdung durch Emissionen aus der Fußbodenkonstruktion besteht, anhand von Ausbauproben der gesamten Fußbodenkonstruktion (Estrich, Grundierung, Spachtelmasse, Klebstoff, Teppich) die chemisch-analytische Untersuchung der Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen in der „AixBox®“ veranlasst. Hierzu wurden bei einem zweiten Ortstermin vier 50 x 50 cm große Proben aus der Fußbodenkonstruktion (Estrich/Verlegewerkstoffe/Bodenbelag) geschnitten und luftdicht verpackt dem Analyse-Institut übergeben (Bilder 1 bis 8).
Das Ergebnis ist eindeutig: „Die Anforderungen des AgBB-Schemas an die VOC-Emissionen aus Bauprodukten nach drei und 28 Tagen werden erfüllt. Eine gesundheitliche Gefährdung durch Emissionen aus der Fußbodenkonstruktion kann auf Basis dieser Bewertungen ausgeschlossen werden“, heißt es in dem Prüfbericht.
Diskrepanzen beseitigen
Solange diese Diskrepanz zwischen objektiver Messung und subjektiver Wahrnehmung besteht und diese nicht durch einheitliche und reproduzierbare Prüfverfahren beseitigt werden, ist es nicht möglich, zweifelsfrei einen Geruch zu qualifizieren. Aus unserer Sicht werden daher auch die Bemühungen der verschiedenen Interessensvertretungen, Emissions- und Geruchsprüfung zu verbessern, kritisch, aber auch konstruktiv begleitet.
Geruchssinn
Da der Geruchssinn direkt mit dem vegetativen Nervensystem des Menschen verbunden ist, reagieren Menschen auf Geruchswahrnehmung unterschiedlich, unabhängig davon, ob Geruchsbildungen durch schädliche oder unschädliche Gase entstehen.
Dennoch gelingt es bis heute nicht – trotz der immer besseren Analysemöglichkeiten und der Entwicklung „künstlicher Nasen“ – die menschliche Nase bei der Bestimmung der empfundenen Luftqualität zu ersetzen. Gerüche entstehen aus einer Vielzahl chemischer Substanzen und längst sind nicht alle Stoffe erfasst, die beim Menschen eine Geruchsempfindung auslösen. Viele Tausend unterschiedliche Substanzen können in der Raumluft nachgewiesen werden, aber selbst mit einer quantitativen Bestimmung jedes Einzelstoffes könnte man keine Aussage über die Geruchswirkung einer Kombination treffen.
Fazit
Ein belagstypischer Geruch (textiler Neugeruch), der über Wochen oder wie in diesem Fall über einen Zeitraum von rund einem Jahr anhält und von den Nutzern (als störend) wahrgenommen wird, kann aus Sachverständigensicht auf Dauer belästigend sein. Üblich ist, dass Neugerüche von verlegten Bodenbelägen über einen Zeitraum von circa sechs bis acht Wochen wahrgenommen werden, wobei dann ein Übergang feststellbar ist, bei dem einerseits der Neugeruch nachlässt und andererseits spezifische Gerüche der örtlichen Umgebungssituation in den Vordergrund treten.
Auch wenn keine erhöhten VOC-Emissionen gemessen wurden, bleibt das Empfinden der Nutzer, dass durch einen „unangenehmen“ Geruch Beschwerdeerscheinungen hervorgerufen werden. Ob und inwieweit diese Erkenntnis als Mangel einzustufen ist, stellt sich als Rechtsfrage dar, die sachverständigenseits nicht verifiziert werden kann.