Maßregelt die neue DIN 18560 Teil 4 Boden- und Parkettleger?
Die Kenntnis der DIN 18560 „Estriche im Bauwesen“ gehört zum Standardrepertoire eines versierten Bodenlegers. Die normative Beschreibung der Arten, der Ausführung und der Anforderungen an Estriche ist zwar in erster Linie für den Estrichleger interessant, stellt aber auch für den Boden- und Parkettleger eine wichtige Planungsgrundlage dar: So muss er doch vor Beginn seiner Arbeiten wissen, auf welchem Untergrund er sein Werk aufbaut.
Mit der Neuauflage des Teils 4 „Estriche auf Trennschicht“ der DIN 18560 im Juni 2012 erhöht sich die Bedeutung der „Estrich-Norm“ für den Bodenleger jedoch deutlich. Erstmals wird unter Punkt 5 „Prüfung“ nicht nur die Bestätigungsprüfung mit Feststellung der Dicke und Biegezugfestigkeit sowie der Härte, des Verschleißwiderstandes und der Oberflächenhärte genannt, sondern auch die Messung des Feuchtegehaltes nach der Calciumcarbid-Methode detailreich und beispielhaft beschrieben.
Unter Punkt 5.3.1 „Allgemeines“ heißt es: „Die Messung des Feuchtegehaltes zur Beurteilung der Belegreife auf der Baustelle erfolgt über die Calciumcarbid-Methode“. Im Anschluss erfolgt eine ausführliche Beschreibung der gesamten Durchführung. Schließlich formuliert die überarbeitete Normenschrift unter Punkt 6.3 „Oberbelag“ in wessen Verantwortungsbereich diese Prüfung fällt. Hier heißt es unter anderem: „Wird der Estrich auf Trennschicht mit einem Oberbelag versehen, kann dessen Verlegung erst dann erfolgen, wenn der Estrich seine Belegreife erreicht hat. Die Beurteilung der Belegreife gehört zur Prüfpflicht des Oberbodenlegers direkt vor der Verlegung.“
Prüfpflicht des Bodenlegers?
Aus unserer Sicht wurde hier ein Versuch unternommen, Fakten zu schaffen, die den Estrichleger aus der Verantwortung entlassen sollen, ein für den vorgesehenen Verwendungszweck geeignetes Gewerk abzuliefern. Denn die tägliche Praxis sieht heute im Regelfall so aus: Objektbezogen wird – häufig auch im Leistungsverzeichnis definiert – der Auftragnehmer für Estricharbeiten beauftragt, einen Estrich zur Aufnahme von Bodenbelägen unterschiedlicher Art zu liefern. Dies setzt voraus, dass der Estrichleger nicht nur einen ausreichend tragfähigen und den allgemeinen Normenanforderungen entsprechenden Estrich schuldet, sondern eben auch einen trockenen, also verlegereifen Untergrund.
Warum nun Anlass gegeben war, in der Neufassung der DIN 18560 Teil 4 normen- und gewerkübergreifende Aussagen dieser Art zu machen, erklärt sich uns nur als übertriebener Aktionismus. Die Diskussion um Zuständigkeiten und Verantwortungsbereiche wird damit erneut angefacht und unnötig belastet.
Situation nicht beabsichtigt?
Der mit der Ausarbeitung der Normenschrift befasste Arbeitsausschuss NABau-NA005-09-75AA „Estriche im Bauwesen“ hat hier einen Versuch unternommen, ohne Abstimmung mit den zuständigen Gremien und Berufsverbänden (ZVPF, ZVR etc.) die Karten neu zu mischen. Denn die DIN 18560 Teil 4 nimmt in der vorliegenden Fassung direkten Einfluss auf die Folgegewerke DIN 18356 „Parkettarbeiten“ und DIN 18365 „Bodenbelagarbeiten“. Fakt ist, dass hier die bodenlegenden Gewerke in unzumutbarer Weise in die Pflicht genommen werden. Gehen wir davon aus, dass eine derartige Situation nicht beabsichtigt war, ist es umso unbegreiflicher, dass eine entsprechende Kommunikation nicht stattgefunden hat.
(Fast) perfekte Arbeitsbeschreibung
Lobend zu erwähnen ist die ausführlich und fast perfekte Beschreibung der CM-Messung sowie das „Protokoll zur Dokumentation der CM-Messung“ im „Anhang A“ der Norm. Erstmals wird hier die Probennahme im PE-Beutel genannt, die verhindert, dass Feuchtigkeit bereits vor der eigentlichen Messung aus dem Stemmgut entweicht. Diese Technik stellte Richard Kille erstmals in der RZ-Ausgabe 10/91 öffentlich vor und dokumentierte diese in den vergangenen Jahren wiederholt (Bilder 1 bis 8). Eine umfassende Arbeitsanweisung wurde in der Boden-Profi Folge 13 „CM-Messung, aber richtig“ veröffentlicht. Diese steht unter winkler-online.de im Bereich „Boden-Profi“ als Download zur Verfügung.
Für uns nicht nachvollziehbar ist die pauschale Aussage der Norm zu Punkt 5.3.3 „Durchführung“, dass „eine Durchschnittsprobe über den ganzen Querschnitt des Estrichs zu entnehmen ist“: Gelebte Praxis ist, dass bei der Verlegung von Parkett die Probe aus dem unteren Drittel des Estrichs entnommen wird. Ebenfalls nachzubessern ist das „Protokoll zur Dokumentation der CM-Messung“, bei dem die Eintragung der wichtigen Daten zur Fußboden- und Lufttemperatur sowie der relativen Luftfeuchte nicht vorgesehen sind.
Beschreibung der CM-Messung nach DIN 18560-4*
Ausstattung/Durchführung:
- CM-Gerät, geprüfte Druckflasche nach Richtlinie 97/23/EG mit Manometer, montiert nach EN 837-2 (max. absoluter Fehler 25 mbar), Waage, Fehlergrenze ± 2 g, Beutel, aus Polyethylen (PE)
- Durchschnittsprobe über den ganzen Querschnitt des Estrichs entnehmen und in einen PE-Beutel einfüllen, Probe im PE-Beutel in der Schale zerkleinern, Homogenisieren der Probe durch Umfüllen in einen weiteren PE-Beutel
- Aus dem vorbereiteten Prüfgut eine Materialprobe abwiegen: Calciumsulfatestrich: 100 g, Magnesiaestrich: 50 g, Zementestrich: 50 g
- Prüfgut und Stahlkugeln und im Anschluss Glasampulle mit Calciumcarbid vorsichtig in das CM-Gerät einfüllen. Nach dem Verschließen des CM-Gerätes zwei Minuten kräftig schütteln, fünf Minuten später nochmals eine Minute schütteln, sowie zehn Minuten später nochmals kurz (~ 10 s) aufschütteln und Wert ablesen.
- Prüfgutkontrolle durchführen: wenn das Prüfgut nicht vollständig zerkleinert ist, Prüfergebnis verwerfen und Messung wiederholen
* gekürzte Zusammenfassung
Fazit
Bei aller Kritik an der Neufassung der DIN 18560 „Estriche im Bauwesen, Teil 4 Estriche auf Trennschicht“ muss auch gesagt werden, dass man die Einspruchsfrist zum Normenentwurf tatenlos verstreichen ließ. Mit Schuldzuweisungen ist nun aber keinem mehr geholfen. Vielmehr verlangt die tägliche Praxis nach einer praktikablen Umsetzung der neu geschaffenen, aber eben nicht in jeder Hinsicht zutreffenden Fakten, denn bereits heute ergeben sich folgenschwere Diskussionen am Bau: So hat sich ein Parkettleger an uns gewandt, der völlig irritiert darüber war, dass Bauherr und Planer ihm mit Hinweis auf die DIN 18560 Teil 4 vorgehalten haben, die CM-Messung falsch durchgeführt zu haben. Ein Sachverständiger, der scheinbar auch mit dem Entwurf zur DIN 18560-4 vertraut war, hat die Auskunft gegeben, dass das Stemmgut für die CM-Messung als Durchschnittsprobe über den ganzen Querschnitt des Estrichs zu entnehmen ist und nicht, wie seinerseits praktiziert, aus dem unteren Drittel des Estrichs. Während der Parkettleger (noch) zu hohe Feuchtewerte ermittelte, stellte der Sachverständige mit der „Durchschnittsmessung“ die Verlegereife fest. Der Parkettleger meldete dennoch Bedenken an, weil er nicht wider besseren Wissens handeln wollte.
Für ein reibungsloses Miteinander aller am Fußbodenbau beteiligten Gewerke ist dringend ein Konsens über die Zuständigkeiten und die Durchführungen der CM-Messung zu erzielen. Der aktuell geschaffene Zustand darf aus unserer Sicht nicht zur Regel des Fachs erhoben werden.