Nahtkanten verfestigen

Nicht schnittfeste Teppichboden-Nahtkanten müssen verfestigt werden

Vor dem Teppichlegen in die Verlegeanleitung des Herstellers zu schauen, halten viele Bodenleger für überflüssig. Anders als bei elastischen Belägen, die je nach Art und Konstruktion unterschiedliche Verlegetechniken verlangen, werden Teppichböden oft über einen Kamm geschert. Dabei erfordert auch hier jede Konstruktionsart eine spezielle Vorgehensweise.

Abhängig vom Herstellungsverfahren, wie Tuften- oder Weben, der Rückenkonstruktion wie Vlies oder TR, des Flor, wie Velours oder Schlinge oder der Musterung, müssen Klebstoffe und Verarbeitungstechnik auf die eingesetzte Ware abgestimmt werden. Und damit nicht genug, ist ebenfalls ein Augenmerk auf die vorgesehene Nutzung der Fläche zu legen, beispielsweise auf die vorhandene Möblierung.

All diese Faktoren müssen sowohl im Objekt als auch im Privatauftrag berücksichtigt werden und sind bereits bei der Angebotsabgabe preisrelevant. Denn ein Nacharbeiten von Unzulänglichkeiten kann teuer werden oder ist in vielen Fällen gar nicht mehr möglich.

Verdeutlicht wird diese Situation am Beispiel eines aktuellen Falls: In einem Hotel wurde ein Tufting-Teppichboden verlegt. Die Gestaltung der Flächen erfolgte in der Art, dass eine streifengemusterte Ware als Kassetten-/ Spiegelfläche und umlaufend eine Uni-Qualität als Fries beziehungsweise Rahmen verlegt worden ist (Bild 1).

Bild 1
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Zwangsläufig ergaben sich aus der Verlegeart Längs- und Kopfnähte innerhalb der Teppichbodenflächen, bei denen bereits nach kurzer Nutzung Ausfransungen und Beschädigungen bemängelt wurden (Bilder 2 und 3).

 

Bild 2
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Bild 3
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Im Stoßbereich der aneinander grenzenden Teppichbodenflächen (Spiegel und Fries) zeigte sich zudem ein stufenartiger Übergang (siehe nochmals Bilder 2 und 3). Die nähere Überprüfung der Naht ergab, dass die aneinandergrenzenden Teppichböden unterschiedliche Konstruktionsmerkmale aufwiesen. So zeigte sich die gemusterte Ware (Spiegel) dünner als die umlaufende Qualität (Fries).

 

Zum Höhenausgleich wurde unterhalb des Teppichbodenspiegels eine Korkdämmunterlage verwendet, die jedoch in Teilbereichen nicht bis zum Stoß des angrenzenden Teppichbodenfrieses geführt worden ist und zudem keine funktionsfähige Klebung aufwies (Bild 4). Weitergehend war feststellbar, dass die Schnittkanten nicht verfestigt wurden.

Bild 4
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Die ebenfalls mit Teppichboden ausgestatteten Revisionsdeckel zeigten im Bereich der Schnittkanten der Teppichbodenpassstücke ebenfalls keine den Regeln des Fachs entsprechende Schnittkantenverfestigung, was in der Nutzung dazu führte, dass bereits deutliche Ausfransungen vorlagen (Bilder 5 und 6).

 

Bild 5
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Bild 6
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Auch wurde festgestellt, dass die Rohrgestelle der Bestuhlung zum Teil defekte Stuhlbein-Gleiter aufweisen. Dadurch kommt es zu einer mechanischen Überbeanspruchung des Teppichbodens, die zu Beschädigungen führen kann (Bilder 7 bis 9).

 

Bild 7
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Bild 8
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Bild 9
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Beurteilung

Ein Blick in die technischen Datenblätter der Teppichböden zeigt, dass als Spiegel eine hoch-/tiefgemusterte und als Fries eine Velours-Qualität eingesetzt wurde. Der Spiegel weist demnach Florhöhen von 7,95 und 4,78 Millimeter auf, der Fries von 8,71 Millimeter.

In der Verlegeanleitung des Teppichbodenanbieters ist eindeutig beschrieben, dass alle Schnittkanten im Nahtbereich aneinandergrenzender Teppichbodenbahnen nachträglich verfestigt werden müssen. Auch werden genaue Angaben zur Ausführung gemacht sowie eine Produktempfehlung gegeben.

Die scharfkantigen Aufstandsflächen der Bestuhlung sind mit Blick auf den Teppichboden als materialzerstörend einzustufen. Durch geeignete Maßnahmen müssen unverzüglich einwandfreie Aufstandsflächen hergestellt werden.

Was sagt die Norm?
  • Im BEB-Kommentar zur DIN 18365 wird unter Punkt 3.4.9 unter anderem darauf hingewiesen: „Textile Bodenbeläge in Bahnen sind, soweit dafür geeignet, an den Kanten zu schneiden und stumpf zu stoßen. Die Verlegehinweise der Hersteller sind bei der Verarbeitung textiler Bodenbeläge grundsätzlich zu beachten. Bei nicht schnittfesten Nahtkanten sind diese mit geeigneten Mitteln zusätzlich zu verfestigen.
  • Auch im Standardwerk „Kommentar und Erläuterungen VOB DIN 18365 – Bodenbelagarbeiten“ (Kaulen/Strehle/Kille) wird unter Punkt 3.4.6 auf das Thema „Schnittkantenverfestigung“ eingegangen: „Da vor allem bei Türöffnungen mit erheblichen Drehpunktbewegungen zu rechnen ist, muss für eine gute Verfestigung des Belages im Kantenbereich gesorgt werden. Dies ist vor allem bei Schlingen-Teppichböden zu beachten.“
Fazit

Der Verleger hat bei Planung und Ausführung seiner Verlegearbeit sehr wohl die unterschiedliche Konstruktionshöhe der beiden Teppichboden-Qualitäten berücksichtigt. Allerdings wurde das „Auffüttern“ der dünneren Ware nicht bis ins Detail fachmännisch und einwandfrei ausgeführt.
Eine vom Teppichbodenanbieter vorgeschriebene und vom Stand der Technik übliche Schnittkantenverfestigung wurde nicht ausgeführt. Die innerhalb der Teppichbodenfläche befindlichen Nähte so-wie die Schnittkanten der Passstücke auf den Revisionsdeckeln sind demzufolge ungeschützt und infolgedessen gegenüber mechanischer Beanspruchung nicht in jeder Hinsicht ausreichend widerstandsfähig. Die vorgefundenen Ausfransungen werden somit in der laufenden Nutzung noch intensiviert, beispielsweise durch Begehen oder Staubsaugen.

Die nicht erfolgte Schnittkantenversiegelung und das unfachmännische „Auffüttern“ der dünneren Teppichboden-Qualität sowie die daraus resultierenden Mängel und Schäden liegen im Verantwortungsbereich des Auftragnehmers für Bodenbelagarbeiten.

Für die scharfkantigen Aufstandsflächen der Bestuhlung kann der Verleger im konkreten Fall allerdings nicht zur Verantwortung gezogen werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich zu diesem Sachverhalt mittelfristig Änderungen für den Auftragnehmer für Bodenbelag-arbeiten ergeben werden. Schon heute werden in vielen Reinigungs- und Pflegeanleitungen Hinweise zur vorgesehenen Nutzung der Ware gemacht. So gibt es beispielsweise häufig Vorgaben zu einzusetzenden Schmutzfangmatten oder zur richtigen Auswahl von Rollen unter Drehstühlen. Gelegentlich sind auch konkrete Forderungen an Gleiter unter Möbelaufstandsflächen formuliert.

Da der Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten gemäß DIN 18365 dazu verpflichtet ist, die Reinigungs- und Pflegeanleitung nachweislich (!) zu übergeben, werden auch deren Inhalte zum Vertragsbestandteil. Daraus folgt im Umkehrschluss: Übergibt der Bodenleger die Reinigungs- und Pflegeanleitung nicht, enthält diese jedoch beispielsweise Angaben zur korrekten Ausführung von Stuhlrollen und werden dann durch falsche Stuhlrollen Schäden am Bodenbelag verursacht, kann der Bodenleger dafür zur Rechenschaft gezogen werden. Das Gleiche gilt, wenn der Bodenleger zum Beispiel kaputte Stuhlgleiter im Zuge seiner Arbeiten bemerkt – oder bemerken könnte – und seiner daraus folgenden Hinweispflicht gegenüber seines Auftraggebers nicht nachkommt. Demnach ist auch heute schon jeder gut beraten, seinen Auftraggeber umfassend und nachweislich zu allen Aspekten seiner Bodenbelagsverlegung zu informieren.