Ausgefranster Teppichboden

Erste Hilfe für ausgefranste Schlingenwaren und Tipps zur Vermeidung

Die Achillesverse einer hochwertigen Objektschlinge sind Ausfransungen des Polfadens im Nahtbereich. Denn auch ein Teppichboden der umgangssprachlich als unverwüstlich gilt und in stark beanspruchten Bereichen problemlos eine fünfjährige Gewährleistung übersteht, hat auch seine Schwachstellen.

Heute werden im Objekt überwiegend gewebte oder getuftete Mikro- oder Rippenschlingen-Teppichböden eingesetzt, die eine hervorragende Verbindung von Komfort und Strapazierfähigkeit zusichern. Dass auch solche Bodenbeläge über die Jahre Gebrauchsspuren zeigen, ist normal. Zumeist werden Laufstraßenbildungen oder Abnutzungen im Stuhlrollenbereich reklamiert. Noch häufiger jedoch liest man im Mängelprotokoll „der Teppich franst aus“.

Dass es entlang einer Stoßkante zum Beispiel im Übergang zwischen Teppichboden und Fliesenebene oder auch entlang einzelner Nähte dazu kommen kann, dass ein Polfaden hoch steht, ist für eine Teppichbodenkonstruktion mit schlingenartiger Nutzschicht nicht ungewöhnlich. Wird ein hochstehender Polfaden erkannt, wird er im Regelfall abgeschnitten, und wenn ein Profi am Werk, ist mit klarsichtigem Nahtverfestiger fixiert.

Im privaten Wohnbereich werden hochstehende Polfäden schnell erkannt und beseitigt, so dass eine an sich als Bagatelle zu wertende Situation nicht zu einem Schaden führt. Anders ist dies im Objektbereich: Die Erfahrung zeigt, dass hier das Interesse der Nutzer an der aktiven Werterhaltung des Teppichbodens nur begrenzt ist. Hochstehende Polfäden bei Schlingenteppichböden werden ebenso ignoriert wie Flecken, beispielsweise durch verschütteten Kaffee.

Erst wenn ganze Nähte und Stoßkanten ausfransen und die Trägerschicht oder der Untergrund des Fußbodens durchschimmern, wird die Situation beanstandet – nicht selten ist es dann zu spät.

Werden Schäden dieser Art als Gewährleistungsmangel beanstandet, ist die Beseitigung je nach Objekt und Flächengröße oft mit erheblichen Kosten verbunden, über die dann auch zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer und Teppichbodenlieferant gestritten wird.

Vermeiden statt nachbessern

Aber schon in der Planung kann darauf hingewirkt werden, ein „Ausfransen“ zu verhindern. Die anerkannten Regeln des Fachs und so auch die „7. Erläuterungen zur ATV DIN 18 365 Bodenbelagsarbeiten“ geben hier Anhaltspunkte wie Nähte anzuordnen sind und wo „Problemzonen“ vorliegen.

Auch eine Schnitt- und Nahtkantenverfestigung im Zuge der Verlegung kann das Herauslösen von Polfäden wirksam verhindern. In einigen Verlegeanleitungen ist das Thema detailreich beschrieben. Hier sollte der Bodenleger immer auf dem neuesten Stand sein.

Natürlich müssen textile Bodenbeläge im normativen Sinne bereits schnittkantenfest sein. Die Prüfung erfolgt nach EN 1814 „Textile Bodenbeläge – Bestimmung der Schnittkantenfestigkeit durch die modifizierte Trommelprüfung nach Vettermann“.

Nach dieser Prüfung kann die Einbindung des Polmaterials auch noch an Rückstellware geprüft werden. Beispielsweise dann, wenn eine fachgerechte Verlegung vorliegt, und es dennoch (in erheblichen Maße) zu Ausfransungen kommt.

Ausgefranste Nähte reparieren

Ungeachtet der Verursachungsmomente müssen ausgefranste Teppichböden auch wieder fachgerecht repariert werden. Mit einem einfachen Nacharbeiten mit der Florschere ist es dabei nicht getan. So mussten beispielsweise in einem Großobjekt, in dem mehr als 20.000 Quadratmeter Teppichboden verlegt worden waren, einige hundert Meter Nähte nachgearbeitet werden (Bild 1).

Bild 1
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Links und rechts der ausgefransten Schnittkanten und Nähte wurde der Teppichboden auf circa vier bis fünf Zentimeter Breite in der Polnoppengasse verlaufend abgeschnitten. Die so entstandenen neuen Schnittkanten wurden mit einem Nahtverfestiger fixiert und sodann ein rund zehn Zentimeter breiter – ebenfalls an den Nahtkanten verfestigter – Teppichbodenstreifen eingeklebt (Bilder 2 und 3).


 
Bild 2
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Bild 3
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Die Reparaturstellen zeigten selbst nach zwei Jahren intensiver Nutzung keine neuen Schäden durch herausgezogene Schlingenpolfäden (Bild 4).


 
Bild 4
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Perfekte Revisionsdeckel

In der Praxis kommt es immer wieder vor – meistens auf Wunsch des Architekten und entgegen jeder Erfahrung – das Revisionsöffnungen in Teppichbodenbahnen einfach aufgeschnitten werden. Findet keine Nahtkantenverfestigung statt und werden die Kanten auch sonst nicht geschützt, sind Polfadenablösungen unausweichlich (Bild 5).

Bild 5
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Die Reparatur ausgefranster Schnittkanten im Bereich von Revisionsdeckeln gestaltet sich schwierig, ist aber nicht unlösbar wie wir in einem Gewerbeobjekt mit über 250 nachzuarbeitenden Revisionsdeckeln feststellen konnten.

Das dort eingesetzte System eignet sich aber nicht nur zur Reparatur, sondern stellt eine praxiserprobte Lösung für perfekt ausgeführte Revisionsdeckel dar. Die Idee dazu hatte ein findiger Objekteur, der mit dem Problem konfrontiert nach einer Lösung suchte. Er lässt stabile und kratzfest lackierte Rahmenprofile aus Metall bauen und verschraubt diese auf den Doppelbodenplatten der Revisionsdeckel (Bilder 6 und 7).


 
Bild 6
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Bild 7
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Der Rahmen ist so konstruiert, dass auf der einen Seite im Innenfeld des Revisionsdeckels die Kante des einzulegenden Teppichbodens geschützt wird. Gleichzeitig steht der Blendrahmen über der Außenkante des Revisionsdeckels, so dass ebenfalls auch die Kante des Teppichbodens im Umfeld der Aussparung geschützt ist (Bild 7). Die so gefertigten Revisionsdeckel halten auch Belastungen in extrem frequentierten Bereichen stand (Bild 8).


 
Bild 8
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Appell an die Gebäudereiniger

Gebäudereiniger sind Profis, die während des Saugens hochstehende Fasern, Fäden oder Schlingenpolnoppen erkennen und diese fachgerecht mit einer Florschere entfernen sollten. Schon mehrfach haben wir gemeinsam mit Facilitymanagern und Gebäudereinigern in Großobjekten Situationen dieser Art diskutiert. Als Folge wurden die Mitarbeiter mit Florscheren ausgestattet und entsprechend angewiesen.

Denn letztlich geht es nicht nur um Reinigung, sondern eben auch um Pflege: Warum sollte ein Teppichboden anders behandelt werden als ein Kleidungsstück, bei dem wie selbstverständlich ein Faden eingezogen oder abgeschnitten wird, um weiteren Schaden zu vermeiden.

Der Blick in die Norm

Die anerkannten Regeln des Fachs und so auch die „7. Erläuterungen zur ATV DIN 18 365 Bodenbelagsarbeiten“ sprechen eine eindeutige Sprache. Sie weisen darauf hin, dass zum Beispiel dort wo Drehpunkte von Bürostühlen vorliegen, Nähte zu vermeiden sind – was praktisch nicht immer realisierbar ist.

Unter dem Punkt 3.4.6. heißt es unter anderem: „Da vor allem bei Türöffnungen mit erheblichen Drehpunktbewegungen zu rechnen ist, muss für eine gute Verfestigung des Belages im Kantenbereich gesorgt werden. Dies ist vor allem bei Schlingen-Teppichböden zu beachten. Nähte sind möglichst dort zu vermeiden, wo mit einer starken Frequentierung zu rechnen ist und wo Drehpunkte von Bürostühlen und Sesseln zu erwarten sind.“

Viel extremer strapaziert, wird aus unserer Sicht der Bereich unterhalb des Schreibtisches, denn dort werden Scher- und Bremsbewegungen der Schuhsohle auf den Teppichboden übertragen.