Ein erster Erfahrungsbericht und Hintergrundinformationen
Seit knapp zwei Jahren halten sie auch in unserer Branche Einzug, die so genannten „Air“-Produkte. Teppichböden, Deko- oder Rollostoffe mit „luftreinigender“ Wirkung erschließen dem Raumausstatter ein neues Betätigungsfeld. Der viel versprechende Zusatznutzen bedient werblich perfekt den Wellness-Trend und bringt neue Verkaufsargumente.
Wie das System der „Luftreinigung“ funktioniert, bleibt allerdings noch im Dunkeln. Schwerverständliche Definitionen und abstrakte Darstellungen sorgen bisweilen mehr für Verunsicherung als für Aufklärung. Der Raumausstatter läuft Gefahr, seinem Kunden ein Produkt zu verkaufen, dessen Funktionsweise er selbst nicht nachvollziehen kann, geschweige denn belegen kann. Dabei ist das Thema gar nicht so neu, wie es uns vorkommen mag. Bereits seit gut 20 Jahren sind in Asien Textilien am Markt, die über ganz ähnliche Eigenschaften verfügen. Der bekannteste „Air“-Lizenzgeber, die japanische Suminoe-Textile Company, verkauft seit einem halben Jahrzehnt Teppichböden mit „Luftreinigungs- Effekt“. Aber auch am deutschen Markt sind Zusatznutzen der beschriebenen Art nicht wirklich neu: Spezielle Wolltextilien in Wandmodulen, Trennwänden oder Klimaanlagen sorgten schon vor dem Jahrtausendwechsel für eine natürliche Verbesserung der Luftqualität. Dass es sich bei den beschriebenen textilen Materialien nicht um zusätzlich ausgerüstete Werkstoffe handelt, die bewusst riechen, ist nachvollziehbar.
Auch sind es keine so genannten „Geruchsüberdecker“, die einfach nur intensiv „wohlriechend“ den als negativ empfundenen Geruch maskieren, das heißt überdecken. Ebenso handelt es sich nicht um Wirkstoffe, die Gerüche und Schadstoffe adsorbieren, also gelöste Stoffe an der Oberfläche eines festen Körpers anlagern. Der eigentlichen Innovation moderner Luftreinigungssysteme werden katalytische Eigenschaften zugesprochen.
Dieses System kommt dem Katalysator-Prinzip, wie wir es aus dem Auto kennen, sehr nahe. Dort kommen schädliche Stoffe wie Kohlenwasserstoff und Kohlenmonoxid mit Edelmetallen in Berührung, reagieren und werden in unschädliches Kohlendioxid und Wasserdampf umgewandelt und infolgedessen abgebaut.
Weitgehend vergleichbar soll die patentierte Veredelungssubstanz der japanischen Suminoe-Textile Company funktionieren. Der Wirkstoff, im Wesentlichen Titandioxid, wird derzeit beim Teppichboden in den Vorstrich und bei Vorhangstoffen in das textile Flächengebilde integriert. Berührt über die Luftzirkulation die möglicherweise belastete Raumluft die Teppichboden-Konstruktion oder den Vorhangstoff, werden Schadstoffe, wie sie zum Beispiel in Form von Formaldehyd, Zigarettenrauch oder in Gerüchen vorkommen, infolge des Zusammentreffens mit Titandioxid in Kohlendioxid, Wasserdampf und Stickstoffverbindungen umgewandelt und abgebaut. Bemerkenswert ist, dass ebenso wie beim Kfz-Katalysator die Funktion, Wirkungsweise und der Wirkungsgrad nicht nachlassen sollen.
Schafwolle gegen Formaldehyd
Das erste natürliche Vlies für die Schadstoffreduzierung in der Raumluft wurde von der Fritz Doppelmayer GmbH in Zusammenarbeit mit dem Eco-Umweltinstitut Köln und dem Wollforschungsinstitut an der RWTH Aachen entwickelt und wird mit der Bezeichnung „Kairatin“ vertrieben.
„Kairatin“ ist ein Wollvlies und besteht aus reiner Schafschurwolle. Diese Wolle wird als „Naturprodukt“ aufwändigen Reinigungsprozessen unterworfen, wobei die natürliche Beschaffenheit der Wolle erhalten bleibt, so dass aus diesem Material das Vlies hergestellt wird. Hieraus werden dann wiederum verschiedenste Baumaterialien wie Dämmstoffe, Deckenelemente oder Trennwände hergestellt. Eine Weiterentwicklung dieses Produktes ist das so genannte „Lumaira“-Vlies, für die Verwendung in textilen Bodenbelagskonstruktionen.
Bei beiden Varianten wird für die Luftreinigung die chemische Reaktion der Wollproteine genutzt. Schafwolle, die zu den Eiweißfasern gehört, besteht zu ca. 97 Prozent aus Wollproteinen. Die Eiweißstoffe der Schafwolle werden als Keratine bezeichnet. Ihr kleinster chemischer Baustein ist die Aminosäure. Die Keratine werden aus circa 18–24 verschiedenen Aminosäuren aufgebaut und liegen als kettenförmige Makromoleküle vor. Im Vergleich hierzu ist beispielsweise Formaldehyd ein äußerst reaktives Molekül und in der Lage, mit Aminosäuren zu reagieren, so dass aus den Additions- und Kondensationsreaktionen stabile und unschädliche Verbindungen entstehen.
Weiterführende Versuche haben gezeigt, dass das spezielle Wollvlies in Verbindung mit Geruchsstoffen und anderen reaktiven Umweltchemikalien wie Schwefeldioxid, Stickoxide und Ozon reagiert, so dass weite Anwendungsbereiche mit dem Ziel einer Verbesserung der raumlufthygienischen Situation in Gebäuden möglich ist.
Praxiserfahrungen
In einem Wohnhaus zeigten sich die vorhandenen Teppichböden extrem verunreinigt und zudem durch Hunde- und Katzenurin belastet. Die Geruchsentwicklungen waren zum Teil so extrem, dass das Begehen der Räume ohne Mund-/Nasenschutz unzumutbar war. Im Rahmen einer notwendigen Sanierung wurden sämtliche Teppichböden herausgerissen und die vorhandenen Zementestriche rückstandsfrei abgeschliffen.
Gleichermaßen wurden die Wände behandelt, die zudem unter einem „Nikotin-Schleier“ lagen. Auch nach dem Tapezieren der Wände sowie dem Vorstreichen und Spachteln der Estriche lag immer noch der penetrante Geruch vor. In der Hoffnung auf Besserung wurde die obere Etage des Einfamilienhauses vollflächig mit dem „luftreinigenden“ Teppichboden „Dura Air“ ausgestattet. Im Erdgeschoss wurde Laminat verlegt, wobei innerhalb der Räume jeweils ein großer Spiegel frei blieb, in dem ebenfalls „Dura Air“ verlegt worden ist. Schon kurze Zeit nach der Renovierung und nunmehr seit über einem Jahr ist von den ursprünglich vorhandenen, extrem belästigenden Gerüchen nichts mehr wahrzunehmen.
In einem weiteren „Selbstversuch“ des IFR wurde die Funktionsweise des Dekostoffes „Drapilux Air“ getestet. Marc Uhl verarbeitete den Stoff zu einem Großflächenvorhang, der über eine ganze Raumwand innerhalb des Schlafzimmers seiner Wohnung als Raumteiler für den dahinter liegenden Schrankbereich dient.
Aufgrund der Situation, dass die 3-Zimmer-Wohnung über den gesamten Tag nicht genutzt wird, ergab sich zum Abend beim Betreten der Wohnung der Geruch nach „abgestandener Luft“, wobei sich auch „kalter Zigarettenrauch“ bemerkbar machte, obwohl die Wohnung durch Kippen einzelner Fenster belüftet war. Nach dem Einbringen des Großflächenvorhangs ergab sich zweifelsfrei eine Verbesserung der Raumluft. Die ursprüngliche, muffig riechende, abgestandene Luft als auch der Zigaretten-Geruch war bereits eine Woche später nicht mehr wahrnehmbar.
Fazit
Aus eigener Erfahrung im IFR Köln können wir darüber berichten, dass einerseits das spezielle Teppichbodensystem „Dura Air“ und andererseits das System des Vorhangstoffes „Drapilux Air“ in der praktischen Anwendung bei den von uns zuvor dargestellten Beispielen funktioniert.
In unseren Fällen ging es darum, Gerüche zu neutralisieren, letztlich eine Lufthygiene herbeizuführen, die zur ursprünglichen Qualität der Luft als deutlich angenehmer empfunden wird. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass alle hier dargestellten Luftreinhaltungssysteme nur dann funktionieren, wenn die Luft zirkuliert, und das tut sie im Allgemeinen nur dann, wenn die Räume belüftet werden. Nicht belüftete Räume werden nach wie vor einen Eigengeruch bilden, der je nach Empfinden auch als unangenehm beurteilt werden kann. Dass Zusatzeigenschaften, die zur Lufthygiene beitragen, auch vom Kunden gerngesehen und gewünscht werden, ist klar. Inwieweit der Kunde dann auch den Zusatznutzen bzw. den Effekt wahrnimmt und letztlich honoriert, ist jedoch nicht sichergestellt.
Hinweis: Der Bericht beschreibt nur einen Teil der vorliegenden Erkenntnisse zu diesem umfangreichen Thema. Aufgrund der noch nicht ausreichend vorhandenen Praxiserfahrung und der nicht offen gelegten Herstellungstechniken sind zukünftig weitere Informationen zu erwarten, über die wir berichten werden.