Auf kennzeichnende Merkmale hinweisen

Auf kennzeichnende Merkmale hinweisen

Immer wieder führen Missverständnisse oder Unwissenheit des Kunden zu Reklamationen. In vielen Fällen hätte eine umfassende Aufklärung während der Beratung diese vermeiden können, wie dieser teilfiktive Fall verdeutlicht: Unzufrieden über das Anschmutzverhalten sowie die Aussehensveränderung eines runden abgepassten Wohnzimmerteppichs, klagte ein Kunde gegen den Verkäufer. Das zuständige Amtsgericht holte zur Klärung des Sachverhaltes ein Gutachten ein.

Bei dem beanstandeten Teppich handelt es sich um eine getuftete Bambus-Viskose-Qualität mit Baumwollbeimischungen (90/10). Der Schlingenpol-Teppich hat einen Durchmesser von zwei Metern und eine synthetische Rückenkonstruktion. Zum Zeitpunkt des Ortstermins war der Teppich zusammengerollt und wurde nach Auskunft des Klägers seit über zwei Jahren nicht mehr genutzt. Zuvor soll er über einen Zeitraum von rund einem Jahr im Wohnzimmer auf einem Fliesenboden gelegen haben. Entsprechend den Ausführungen des Klägers erfolgte die Reinigung regelmäßig mit einem leistungsstarken Staubsauger mit rotierender Bürste. Während des Ortstermins wurde allerdings ein Staubsaugerschlitten mit entsprechender Schlauchverlängerung und einer Bodendüse ohne elektrisch rotierende Bürste vorgezeigt, der das andere Gerät mittlerweile ersetzt. Auf Nachfrage teilte der Kläger mit, dass er beim Kauf des Teppichs keine Reinigungs- und Pflegeanleitung bekommen hat.

Feststellungen

Bei näherer Betrachtung des Teppichs zeigte sich die schlingenartige Nutzschicht komprimiert und angeschmutzt. Neben der visuellen Prüfung wurde die Nutzschicht zur Hälfte mit einer Perlonbürste bearbeitet, sodass sich die Schlingenpolnoppen voluminöser und flauschiger aufstellten. Im Anschluss wurde die aufgearbeitete Fläche mit einem Handbürst-Staubsauger mit rotierender Bürste und Sichtfilter abgesaugt. Mit Leeren des Filters zeigte sich, dass sich ein erkennbarer Faseranteil der Nutzschicht gelöst hatte, einhergehend mit mineralischem Schmutz (Sand). Bei einem abschließenden Reinigungsversuch mit einem handelsüblichen Breitband-Fleckenlöser war erkennbar, dass sich Schmutzanhaftungen lösen lassen und die ursprüngliche Farbgebung der Nutzschicht sichtbar wird.

Beurteilung

Die Komprimierung und erkennbare „Verklebung“ der Nutzschicht ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Pflegemittelsubstanzen beziehungsweise Rückstände aus der Wischpflege der umliegenden keramischen Fliesen über das Schuhwerk auf den abgepassten Teppich übertragen werden. Die Folge ist, dass einerseits die Schlingenpolnoppen miteinander „verkleben“ und andererseits durch den vorhandenen Klebeeffekt Aerosol- und Kontaktschmutz konzentriert anhaftet. Auch die durch Absaugen gelöste Fasermenge ist ein Indiz dafür, dass keine fachgerechte Reinigung und Pflege stattgefunden hat: Eine sogenannte Flusenbildung kann je nach Polmaterial verstärkt bei neuen Teppichen auftreten, nimmt jedoch mit regelmäßigem Saugen ab.

Auch verlangen die kennzeichnenden Merkmale der Faserzusammensetzung eine besondere Behandlung des Teppichs, um lange Freude an seinem Aussehen zu haben: Die zu 90 Prozent aus Viskosefaser und zehn Prozent aus Baumwolle bestehenden Schlingenpolnoppen weisen materialspezifisch eine geringe Elastizität auf. Hieraus resultiert, dass die Nutzschicht beim Begehen zusammengedrückt und letztlich flach getreten wird. Dies gilt auch für andere Teppiche aus Viskose oder Baumwolle.

Teppiche aus Viskose und/oder Baumwolle müssen im täglichen Gebrauch und im Rahmen der erforderlichen Reinigung und Pflege aufgebürstet werden: Die Polnoppen beziehungsweise der Flor muss mit einer rotierenden Bürste gegen die Florlage gesaugt werden. Erfolgt diese Maßnahme nicht, wird, wie umgangssprachlich bezeichnet, die Nutzschicht „platt getreten“ und kann sich nicht von selbst wieder aufrichten.


Beweisfrage
„Ist der von der Klägerin bei der Beklagten gekaufte Teppich mangelhaft“, fragte das Amtsgericht und beauftragte ein Gutachten zur Klärung. Streitgegenstand war ein abgepasster Teppich mit einer Nutzschicht aus Viskose/Baumwolle
 

Bild 1

Fakten
Der abgepasste Teppich zeigte ein zum Teil erheblich angeschmutztes und komprimiertes Nutzschichtmaterial. Mit einer punktuellen Fleckendetachur, konnten Schmutzanhaftungen gelöst und die ursprüngliche Farbgebung sichtbar gemacht werden

Bild 2 Bild 3

Bild 4

Maßnahme
Durch gezieltes Aufbürsten einer Teppichhälfte gegen die Florlage der Schlingenpolnoppen konnte wieder die ursprüngliche voluminöse und flauschige Nutzschicht hergestellt werden

Bild 5

Überprüfung
Beim Absaugen mit einem Handstaubsauger mit rotierender Bürste wurde nicht fest eingebundenes Fasermaterial einhergehend mit mineralischem Schmutz gelöst

Bild 6

Was sagt die Norm?

Im Standardwerk „Kommentar und Erläuterungen VOB DIN 18365 – Bodenbelagarbeiten“ (Kaulen/Strehle/Kille) heißt es unter Punkt 3 Ausführungen, Punkt 3.1.4 „Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber die schriftliche Pflegeanleitung für den Bodenbelag zu übergeben.“ Und weiter: „Die Übergabe der Pflegeanweisungen ist sehr wichtig, weil erfahrungsgemäß Schäden an elastischen und textilen Bodenbelägen innerhalb der Benutzung nur aufgrund unzureichender (oder falscher) Reinigungs- und Pflegemaßnahmen auftreten. Empfehlenswert ist, die Pflegeanweisung speziell für den zu verlegenden Belag bereits dem Angebot beziehungsweise der Auftragsbestätigung beizulegen, damit der Auftraggeber über die Reinigungs- und Pflegemaßnahmen rechtzeitig informiert ist.“ Sowie: „Es ist dann Sache des Auftraggebers, den Bodenbelag so zu pflegen (oder pflegen zu lassen), dass er in jeder Hinsicht dem vorgesehenen Zweck nach Aussehen und Beanspruchung entspricht.“

Fazit

Die Qualität des abgepassten Teppichs ist einwandfrei. Die Nutzschicht zeigte sich bereits nach kurzer Zeit „platt gedrückt“ weil sie falsch oder ungenügend gereinigt wurde. Zudem verklebten die Polnoppen durch Pflegemittelsubstanzen, die über das Schuhwerk von den umliegenden, ebenfalls nicht fachgerecht gepflegten Fliesen eingetragen wurden. Das Erscheinungsbild von Teppichen und Teppichböden aus der Faserkombination Viskose/Baumwolle bleibt nur dann erhalten, wenn die Nutzschicht regelmäßig gereinigt und dabei „aufgebürstet“ wird, ansonsten ist ein „Platttreten“ nicht zu verhindern. Auf diesen Sachverhalt muss schon im Beratungsgespräch eingegangen werden. Gewinnt der Kunde diese Erkenntnis erst aus der Reinigungs- und Pflegeanleitung ist der Verkäufer zwar seiner Aufklärungs- und Hinweispflicht nachgekommen, der Kunde jedoch zu Recht enttäuscht. Übrigens: Alle notwendigen Informationen hätten in der produktspezifischen Reinigungs- und Pflegeanleitung gestanden.