Bei einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Gothaer Versicherung im Jahr 2017 gaben 46 % der Befragten an, schon einmal Streit mit dem Nachbarn gehabt zu haben. Der am häufigsten angegebene Streitgrund war mit 74 % Lärmbelästigung. Einer von zehn Fällen landete dabei vor Gericht, wie auch in diesem teilfiktiven Fall.
Lärmbelästigung aus Mietwohnung
In einem Mehrparteien-Wohngebäude, Baujahr 1958, gibt es nach einem Mieterwechsel Streitigkeiten wegen Lärmbelästigung. Ein über mehrere Jahrzehnte im Erdgeschoss wohnendes Ehepaar fühlt sich von den neu eingezogenen Mietern in der unmittelbar darüber liegenden Wohnung derart gestört, dass es zum Rechtsstreit kommt. Im Zuge dieser Entwicklung wird ein Gutachten zum Zustand der Fußbodenkonstruktion beauftragt: Es wird vermutet, dass vor allem die beklagte Zunahme des Trittschalls im Zusammenhang mit einer beim Mieterwechsel durchgeführten Bodenbelagsrenovierung steht.
Beim Ortstermin wird zu Protokoll gegeben, dass die Wohnung vor dem Mieterwechsel von einem älteren Ehepaar bewohnt wurde und nun eine Familie mit drei Kindern und zwei Hunden eingezogen ist. In der darunterliegenden Wohnung sollen seitdem „sämtliche Bewegungen wie Gehgeräusche, Poltern und Möbelrücken ständig und extrem deutlich hörbar sein“.
Auf Nachfrage wurde mitgeteilt, dass vor der Neuvermietung umfangreiche Renovierungsarbeiten in der Wohnung ausgeführt wurden. Zu den durch den Vermieter beauftragten Arbeiten gehörte auch ein Wechsel aller Bodenbeläge. Hierzu wurden Altbeläge entfernt, Untergründe geschliffen, neu gespachtelt und anschließend Kunststoff-Fliesen vollflächig verklebt verlegt. Als Wandsockel wurden PVC-Klemmleisten montiert. Die neuen Mieter statteten dann später die Flure und Kinderzimmer sowie das Wohnzimmer in Eigenregie mit einem lose ausgelegten CV-Belag aus, um die Geräuschentwicklung zu dämmen.
Randfuge zugespachtelt
Zur Ursachenforschung wurde im Flur eine Kernbohrung durch den gesamten Querschnitt des Estrichaufbaus durchgeführt. Hierbei zeigte sich folgender Aufbau: Auf der Betondecke lag eine stark komprimierte, rund 1 cm dicke mineralische Dämmschicht. Der darüber liegende Estrich wies eine Dicke von circa 4,5 cm auf sowie eine 2,5 – 3 mm dicke Ausgleichsmassenschicht, auf die die 2 mm dicken PVC-Platten verklebt waren. Im Randbereich des Estrichs wurde festgestellt, dass die ursprünglich vorhandene und mit mineralischem Dämmmaterial gefüllte Randfuge zugespachtelt wurde. Dass heißt: Die Ausgleichsmasse wurde „satt“ in die Randfuge gezogen und sickerte dort zwischen 0,5 und gut 10 mm tief ein. Nach dem Trocknen stellte sie eine feste Verbindung zwischen Estrich und Wand her. Stichprobenartige Kontrollen zeigten, dass dieses Erscheinungsbild in allen Räumen vorzufinden war.
Ein Test zur Wahrnehmbarkeit der Geräuschentwicklung zeigte, dass bereits „normales“ Begehen der Räume in der darunterliegenden Wohnung deutlich störend zu hören war.
Schallbrücken entfernen
Der vorgefundene Sachverhalt lässt einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Schließen der Randfugen und der dadurch veränderten Schallübertragung erkennen: Die starre Verbindung zwischen Estrich und Wand stellt Schallbrücken her. Die durch das Begehen auf dem Estrich übertragene Bewegungsenergie setzt sich als Schallwelle über die Wände hörbar in andere Wohnungen fort. Die zuvor vorhandene Funktion des schwimmenden Estrichs, diese Geräuschübertragung zu entkoppeln, wurde durch den Randfugenschluss weitgehend beeinträchtigt. Durch die Art der Schallwellenausbreitung sind darunterliegende Räume stärker betroffen als darüberlegende oder benachbarte.
Allerdings sollte durch Freilegen der Randfugen – also das restlose Entfernen aller festen Verbindungen zwischen Estrich und Wand – das Maß der Trittschallübertragung dem Zustand vor der Renovierung entsprechen.
Normaler Geräuschpegel?
Neben der Benennung der Ursache des Problems und einem Vorschlag, dieses zu beheben, enthielt der Gutachterauftrag des Gerichts eine weitere Frage: „Gehen diese Beeinträchtigungen über das Maß einer normal üblichen Geräuschbeeinträchtigung hinaus?“ Als „normal“ ist in diesem Fall die Situation vor der Renovierung anzusehen. Diese entsprach allem Anschein nach den Anforderungen, die zum Zeitpunkt der Erstellung des Gebäudes an den Schallschutz gestellt wurden. Eine einfache Bodenbelagsrenovierung muss also nach Fertigstellung ebendiesen Anforderungen genügen und darf diese keinesfalls unterschreiten.
Daraus ergibt sich aber auch, dass nicht zwangsläufig eine Verbesserung erwartet werden kann. Gerade in Altbauten muss damit gerechnet werden, dass die Schallisolierung schlechter sein kann als in Neubauten. Eine Tatsache, die nicht jedem Nutzer einer Immobilie bewusst ist.
Die Situation
In einer Mietwohnung wurden die Fußböden renoviert. Nach Abschluss der Arbeiten kommt es zu erheblichen Schallübertragungen.
Im Detail
In dem Mehrparteien-Wohngebäude, Baujahr 1958, wurde ein schwimmender Zementestrich auf Trittschalldämmung eingebaut.
Der Schaden
Beim Spachteln des Estrichs wurden die Randfugen mit Ausgleichsmasse verschlossen, sodass Schallbrücken entstanden sind.
Wissenswertes
Im „Kommentar zur ATV DIN 18 365 Bodenbelagarbeiten“, 2017, heißt es im Punkt „3 Ausführung – Fehlender Überstand des Randdämmstreifens“ unter anderem: „Randdämmstreifen müssen an allen angrenzenden und durchdringenden Bau- und Einbauteilen und fest mit dem Bauwerk verbundenen Einbauten vorhanden sein, sodass eine horizontale Bewegung des Estrichs nicht behindert wird. Damit die schalldämmende Funktion und Längenänderung eines schwimmenden Estrichs nicht eingeschränkt wird, dürfen Randfugen durch Verschmutzung (zum Beispiel Mörtelreste) oder Spachtelmassen nicht überbrückt werden. Der überstehende Randstreifen darf deshalb keinesfalls vor dem Spachteln abgeschnitten werden (Pkt. 4.2.14). Gegebenenfalls muss ein neuer Randstreifen, auch im Altbau, eingebaut werden. Das gilt sinngemäß auch für Bewegungsfugen/Profile und durchdringende Rohrleitungen und so weiter. Diese Leistungen sind als ‚Besondere Leistungen‘ gesondert zu vergüten.“
Fazit
Während der geschilderte „Schallschutz“-Fall fachlich klar ersichtlich ist, sind bei der rechtlichen Beurteilung einige Details zu beachten. Durch unterschiedliche Rechtsprechung belegt gilt: Fehlen Parteiabreden zur Beschaffenheit einer Mietsache, wird die Einhaltung der maßgeblichen technischen Normen zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geschuldet. Anders sieht es aus, wenn die Renovierungs-/Sanierungsmaßnahmen von der Intensität des Eingriffs in die Gebäudesubstanz mit einem Neubau oder einer grundlegenden Veränderung des Gebäudes vergleichbar sind. In diesem Fall sind die zum Zeitpunkt der Baumaßnahme gültigen Normen zu beachten (BGH VIII ZR 355/03).
Für die Praxis empfiehlt es sich daher, bei Bodenbelagsrenovierungen keine konkrete Trittschallverbesserung anzubieten: Grundsätzlich ist es möglich, mit bestimmten Unterlagen und Bodenbelägen eine Verbesserung herbeizuführen – das Festlegen auf einen bestimmten Wert ist jedoch nicht ratsam.