BSR-Richtlinie I

Kommentar zur BSR-Richtlinie I

„Betrachtungsweise zur gutachterlichen Beurteilung des Erscheinungsbildes von Fußbodenoberflächen“

Seit fast einem Jahr wird diese Richtlinie von Sachverständigen in der Fußbodentechnik angewandt und unzählige Rückfragen haben Sinn und Zweck der Richtlinie als notwendig bestätigt. Bei den Fragen und Diskussionen wurde auch deutlich, dass nicht jeder Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten, das heißt, nicht jeder Bodenleger und auch Sachverständige erkannt hat, welche existenzielle Wichtigkeit darin besteht, dem Auftraggeber einen ordentlichen, akzeptablen Fußboden herzustellen. Einige sahen sich mit der Anforderung zur Erfüllung der Kriterien der BSR-Richtlinie I überfordert, so dass bei Unregelmäßigkeiten innerhalb der Oberfläche von Fußböden immer wieder auf die VOB, Teil C, „Bodenbelagarbeiten“ hingewiesen wurde, wo es unter Punkt 3.2 „Maßtoleranzen“ heißt :

„Bei Streiflicht sichtbar werdende Unebenheiten in den Oberflächen von Bauteilen sind zulässig, wenn die Maßtoleranzen von DIN 18 202 eingehalten worden sind.“ Diese Passage der VOB, Teil C, DIN 18 365 und DIN 18 356, ist wohl die meistzitierteste Textaussage. Unzählige Gegenargumente zu bauherrenseitig vorgetragenen Beanstandungen beinhalten diese Textpassage wie sie auch in Stellungnahmen und Gutachten ohne weitergehende Kommentierung zitiert wird.

Doch entscheiden Sie nun selbst …

…und versetzen Sie sich in die Lage des Auftraggebers ! Bei den nachfolgenden Bildern sehen Sie Fußbodenflächen, die seitens des Auftragnehmers mit dem Hinweis, dass bei Streiflicht sichtbar werdende Unebenheiten in den Oberflächen von Bauteilen zulässig sind, wenn die Maßtoleranzen von DIN 18 202 eingehalten worden sind, als reklamationsfrei dargestellt wurden:

PVC-Bodenbelag (Abb. 1)
Eine typische und häufige Situation ist der hochglanzeingepflegte Krankenhausflur mit tagsüber andauernder Schräglichteinwirkung. Innerhalb der Oberfläche des PVC-Bodenbelages zeigen sich einzelne „Batzen“, die auf Vermörtelungen (Reparaturstellen) innerhalb des Estrichs zurückzuführen sind und sich in der Oberfläche des PVC-Bodenbelages abzeichnen.

PVC Bodenbelag (Abb.1)
PVC Bodenbelag (Abb.1)


Teppichboden (Abb. 2)
Auf diesem Bild ist ein anthrazitgrauer Teppichboden mit veloursartiger Nutzschicht in einem Ladenlokal dargestellt, bei absichtlich herbeigeführter Schräglichtbeleuchtung.

Abbildung 2
Teppichboden – Abb. 2


Linoleum-Bodenbelag (Abb. 3)
Innerhalb dieses Krankenhausflures wird die Fußbodenfläche 24 Stunden künstlich ausgeleuchtet und zeigt sowohl aus der einen Blickrichtung als auch aus der entgegengesetzten Blickrichtung die deutlich erkennbaren Konturen der gespachtelten Estrichoberfläche in der glänzend eingepflegten Oberseite des verklebten Linoleum-Bodenbelages.

Linoleum-Bodenbelag (Abb. 3)
Linoleum-Bodenbelag (Abb. 3)


PVC-Design-Belag (Abb. 4)
Die Laufgänge innerhalb einer Großbuchhandlung wurden in den einzelnen Etagen mit einem hochwertigen PVC-Design-Belag (Holz-Dekor) ausgestattet. Die Abbildungen zeigen die gleiche …

PVC-Design-Belag (Abb. 4)
PVC-Design-Belag (Abb. 4)


PVC-Design-Belag (Abb. 5)
… Fußbodenfläche aus jeweils entgegengesetzter Betrachtungsweise und bauseits nicht veränderbarer Schräglichteinwirkung.

PVC-Design-Belag (Abb. 5)
PVC-Design-Belag (Abb. 5)

Eiche-Massiv-Parkett (Abb. 6)
Der in dieses Wohnzimmer eintretende Besucher sieht den Eiche-Massiv-Parkettboden grundsätzlich bei Schräglichtbetrachtung. Bei umgekehrter Sicht, aus Richtung Fensterfront, zeigen sich keine Unregelmäßigkeiten in der Parkettoberfläche.

Eiche-Massiv-Parkett (Abb. 6)
Eiche-Massiv-Parkett (Abb. 6)

Was sagen Sie dazu ?

Die oben dargestellten Bodenbelagssituationen wurden in der Vergangenheit einerseits in gerichtsanhängigen Verfahren und andererseits als privatgutachterliche Verfahren diskutiert. Sind Sie der Meinung, dass für die jeweils abgelieferte Arbeit in jeder Hinsicht und uneingeschränkt der vorher vereinbarte und nunmehr geforderte Werklohn fällig ist und eine Beanstandung des Auftraggebers keinesfalls gerechtfertigt ist ?

Tatsächlich ist es so, dass die auf den Bildern gezeigten Fußbodenflächen hinsichtlich der Ebenheit nach DIN 18 202 an keiner Stelle toleranzüberschreitende Unebenheiten aufweisen.

Ohne vorherige, eindeutige Absprache mit dem Auftraggeber über Toleranzen, die sich optisch in fertiggestellten Fußbodenoberflächen abzeichnen können, wird dieser das Argument“…. die Fußbodenflächen sind einwandfrei, da die Maßtoleranzen der DIN 18 202 eingehalten wurden…“ nicht immer nachvollziehen können. Ebenso ist es nicht immer leicht, einen Auftraggeber davon zu überzeugen, dass er erst einmal von der Eingangstür eines Raumes zum Fenster, d.h. zur Lichtquelle gehen muss, um dann die Fußbodenoberfläche zu betrachten, damit keine Schräglichteinwirkung entsteht. Heftige Diskussionen können hieraus entstehen, wobei eines ganz sicher ist: „Es gibt niemanden, der jemals einen Streit mit einem Kunden gewonnen hat…“

Das andere Extrem

Mit dem „Leitfaden über hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Neubauten“ der Bauforschungsberichte des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Reg.F 2297) werden hinsichtlich der Herstellung von Fußböden Anforderungen gestellt, die einerseits im wirtschaftlichen Verkehr und andererseits vom Handwerk nur begrenzt erfüllt werden können. In diesem Leitfaden heißt es unter dem Punkt 3.8. „Bodenbeläge“ zu 3.8.0 „Allgemeine Hinweise“ u.a. wie folgt: „… Für die Beurteilung ist das Erscheinungsbild bei üblicher Raumbenutzung maßgeblich. Die optische Einschätzung sollte daher in aufrecht stehender Haltung erfolgen, es sei denn, eine Betrachtung aus der Sitzposition ist gebrauchsüblich.“ Des Weiteren dürfen keine von üblichen Gebrauchssituationen deutlich abweichende Lichtverhältnisse vorherrschen. Unregelmäßigkeiten, die nur durch Abtasten der Bodenfläche bzw. im Streiflicht zu erkennen sind, stellen keinen Mangel dar; es sei denn, dass bei üblicher Nutzung eine Streiflichtbeleuchtung langfristig vorliegt…“

Bei Kenntnis dieser Textpassage ist die Frage zu stellen, wie soll ein Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten alle Eventualitäten berücksichtigen, beispielsweise dass“….bei üblicher Nutzung eine Streiflichtbeleuchtung langfristig vorliegt“, wenn noch gar nicht bekannt ist, wer die Räume letztlich nutzt ?

Individuell kann sowohl innerhalb einer Wohnung, aber insbesondere im Objektbereich andauernde, extreme Schräglichteinwirkung durch Beleuchtungskörper entstehen, die kein Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten vorher vermuten oder abschätzen kann. Der „Leitfaden über hinzunehmende Unregelmäßigkeiten bei Neubauten“ wurde 1996 in der Fußbodenbranche bekannt und ist auch Rechtsanwälten und Gerichten geläufig. Insgesamt betrachtet, bei Kenntnis der zuvor dargelegten Fakten, war es also von wesentlicher Bedeutung, eine einheitliche, praktisch nachvollziehbare, sowohl für die Auftragnehmer-, als auch für die Auftraggeberseite neutrale Regelung zu finden, an der sich Sachverständige orientieren können, um eine Fußbodenoberfläche nach einheitlichen und ausgewogenen Kriterien zu beurteilen.

Und eine solche Regelung ist die vom Bundesverband für Raum und Ausstattung (BSR) erarbeitete und in der RZ-Ausgabe 11/97 erstmals veröffentlichte …

… BSR – Richtlinie 1

Der versierte Sachverständige wird entsprechend seiner Kompetenz nicht pauschal, sondern objektbezogen bei Berücksichtigung der gebrauchsüblichen Nutzung der Fußbodenfläche beurteilen können, ob die durchgeführte Leistung nach dem Stand der Technik und den anerkannten Regeln des Fachs dem zu erwartenden Durchschnitt entspricht. Hierbei sollte nicht vergessen werden, dass „ein von Hand gefertigter Fußboden“ optisch nicht genauso präzise aussehen kann wie ein in der industriellen Fertigung hergestelltes Werkstück, wenngleich die Bilder von unterschiedlichsten Bodenbelägen in den Prospekten und Broschüren für den Verbraucher diesen Eindruck erwecken. Hier ist der Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten bzw. der Kundenberater gefragt, denn: „Eine Beanstandung entsteht meistens dann, wenn etwas passiert, was der Kunde vorher nicht wusste!“

Aufklärung des Kunden

Der Kunde sollte zum Beispiel wissen, dass das Spachteln/Egalisieren eines Untergrundes im Allgemeinen in einer mittleren Schichtdicke von 1,5 mm erfolgt und sich hier bei üblicher Anwendungstechnik durchaus Kellenschläge in der Oberfläche des Belages abzeichnen können. Solche Erscheinungsbilder können insbesondere dann auftreten, wenn es sich um einen elastischen Bodenbelag mit hochglänzender Nutzschicht handelt. Die Aufklärung des Kunden sollte soweit gehen, dass er auch darüber informiert wird, dass mit entsprechendem Mehraufwand an Material und infolgedessen auch an Kosten die Möglichkeit besteht, die Egalisierung des Untergrundes z.B. mit Hilfe der Rakeltechnik bis zu einer Schichtdicke von ca. 3,0 mm vorzunehmen. Und dass in diesem Fall die Möglichkeit der Entstehung von optischen Unregelmäßigkeiten deutlich reduziert wird. Dennoch, und das sollte man nicht vergessen, werden zunehmend Bodenbeläge in den Handel gebracht, die infolge der „reinen Optik“ in der Oberfläche es dem Verleger nahezu unmöglich machen, eine Bodenfläche herzustellen, die keine Unregelmäßigkeiten aufzeigt, insbesondere bei Schräglichteinwirkung. Diese Art der Bodenbeläge wurden besonders unter dem Punkt 4 der BSR-Richtlinie erfasst, bei dem es wie folgt lautet : „Warentypische Eigenschaften von Bodenbelägen und Verlegewerkstoffen sind bei der Beurteilung zu berücksichtigen“. So zeigt sich insgesamt vor allem die Wichtigkeit der Regelung zur Betrachtungsweise bei gutachterlicher Beurteilung des Erscheinungsbildes einer Fußbodenfläche mit der nachfolgend nochmals dargestellten BSR-Richtlinie I.

Fazit

Eindeutig ist, dass die Einhaltung der Toleranzen nach DIN 18 202 „Toleranzen im Hochbau“ grundsätzlich Vorraussetzung einer fachgerechten Leistung ist und bei der gutachterlichen Beurteilung von Unregelmäßigkeiten in der Oberfläche von Fußböden kein maßgebendes Beurteilungskriterium der auf den Fotodokumenten gezeigten Sachverhalte darstellt.