Die unendliche Geschichte: Elastische Dämmunterlagen und Teppichbodenkonstruktionen mit TR-Gewebeausstattung

Richard A. Kille

ö.b.v. und Berufssachverständiger
Institutsleiter und Geschäftsführer der IFR Sachverständigenbürogesellschaft für Fußbodentechnik und Raumausstattung mbH, Köln

Einleitung

Teppichbodenkonstruktionen mit textilen Rückenausstattungen erfahren entsprechend dem Stand der Technik mit dem Argument der Umwelt- und Entsorgungsaspekte zwangsläufig zunehmend Beliebtheit.

Die Weiterentwicklung dieser TR-Ausstattungen zu letztlich füllstofffreien textilen Bodenbelägen war unter ökologischen Gesichtspunkten vorprogrammiert.
Textile Bodenbelagkonstruktionen dieser Art erfreuen sich nicht nur im Objektbereich der enormen Strapazierfähigkeit, sondern auch in zunehmender Weise im öffentlichen und privaten Wohnungsbau.

So finden wir heute überall hochwertige textile Bodenbeläge mit TR-Ausstattung, denn die anerkannten Vorzüge der technischen Eigenschaften werden geschätzt. Komfort und Luxus prägen zum Teil schon im Objektbereich und eindeutig im Wohnungsbau unsere heutigen Baustoffe und Systeme. Hierdurch begründet sich auch die zunehmende Beliebtheit elastischer Dämmunterlagen, die den Verlust von Begehkomfort, Trittschall- und Wärmedämmung bei textilen Bodenbelagkonstruktionen mit TR-Ausstattung wieder wettmachen.

Die Angebotspalette von elastischen Dämmunterlagen ist artenreich und mittlerweile unüberschaubar, da fortwährend auch neue Entwicklungen den Markt bereichern.

Unterschiedliche Arten von Dämmunterlagen

Neben den Liefermaßen (Breite/Länge/ Dicke) unterscheiden sich die Arten der Dämmunterlagen auch durch ihre Materialzusammensetzung und daraus resultierend auch ihrer Eigenschaften sowie Merkmale. Einige Dämmunterlagen werden hinsichtlich der Art und Zusammensetzung nachfolgend genannt:

  • Synthetikgewebe beidseitig PVC beschichtet, Dicke > 4,5 mm
  • Unterlagen aus synthetischem Schwammgummi und Kraftpapier als Druckverteiler an der Oberfläche bis 6,0 mm dick
  • Kork-Dämmunterlagen bis zu 5 mm dick
  • Korkment-Unterlagen mit Gewebeseite überwiegend 2,0 mm dick
  • Spezial-PU-Schaumunterlagen mit Polyestervlies als Druckverteiler an der Oberfläche ca. 4,0 mm dick
  • PU-Schaumunterlage mit PolypropylenGewebe an der Oberfläche als Druckverteiler ca. 4,0 mm dick
  • recycelte, gebundene Polyurethan-Granulate als Spezialmischung bis ca. 5,0 mm dick
  • Polypropylenvlies verstärkte NadelvliesUnterlagmaterialien (z. T Recyclingmaterial) bis zu einer Dicke von 6,5 mm
  • Synthese-Kautschuk-Unterlagen mit Stabilisierungsfolie aus Fiberglas an der Oberfläche bis zu ca. 4,0 mm dick

Die Artenvielfalt der zuvor aufgeführten, sicherlich nicht vollständigen Liste der Dämmunterlagen bringt zwangsläufig auch unterschiedliche Eigenschaften mit sich. Viele Hersteller und Lieferanten der Dämmunterlagen weisen diese als „Spezialunterlage für…“ aus.

Die speziellen Eigenschaften der Dämmunterlagen sollen dem Anwender und letztlich dem Verbraucher Vorteile verschaffen, wie sie z. B. schon vor über 20 Jahren in Verbindung mit Teppichbodenkonstruktionen und Latex-Schaumrückenbeschichtung bekannt waren und sind.

Der ein oder andere wird sich noch erinnern – viele technische Merkblätter von Teppichböden mit Latex-Schaumrückenbeschichtung gaben den Hinweis „lose legbar, bis ca. 25 qm Fläche“.

Daß dieser Wunsch insbesondere von Verbrauchern mit dem Hinweis auf den einfachen Austausch und den geringen Sanierungsaufwand wieder laut wird, ist verständlich und so auch, daß verschiedene, als Spezialunterlagen ausgewiesene Materialien als Dämmunterlagen zur Lose-Verlegung oder nur zur Fixierung angeboten werden, auf denen dann die textilen Bodenbeläge mit TR-Ausstattung vollflächig geklebt werden. Daß bei dem Artenreichtum der Dämmunterlagen nicht unbedingt jede Unterlage zu jedem Teppichboden oder jeder Teppichboden zu jeder Unterlage paßt, ist vorprogrammiert.

Wenige Teppichbodenhersteller liefern hierzu ein System, d. h.
Teppichbodenkonstruktion und Dämmunterlage aus einer Hand ist optimal.
Wer soll nun entscheiden,
welche Unterlage für
welchen Teppichboden oder eben
welcher Teppichboden für

welche Unterlage und die nächste Frage, welcher Klebstoff wäre der richtige zwischen Teppichboden und Unterlage, damit ein dauerhaft funktionsfähiges, ggf. sogar stuhlrollengeeignetes Bodenbelagsystem (Teppichboden mit Unterlage) hergestellt wird?

Der Handwerker, d. h. Anwender und Verarbeiter, zeigt sich unkompliziert, studiert das Merkblatt für die Dämmunterlage und stellt, wie z. B. geschrieben, fest: „Hochwertige stuhlrollenfeste Dämmunterlage für Trittschall- und Wärmedämmung unter Teppichboden, sogar für PVC- und CV-Beläge. Lose-Verlegung der Dämmunterlage ist auch möglich. Es muß sichergestellt sein, daß der verlegte und auf der Unterlage geklebte Teppichboden bei der Reinigung, beim Shampoonieren oder beim Sprühextrahieren, dimensionsstabil bleibt.“

Dann studiert er das technische Merkblatt des ausgesuchten Teppichbodens und liest: „Stuhlrollengeeignet, für extremsten Einsatzbereich durch textile Rückenausstattung, hoher Strapazierwert“.

Ein Anruf beim Klebstoffhersteller/Lieferanten genügt, die Frage, welcher Klebstoff ist einsetzbar, wird beantwortet und schon ist das System komplett. Wohnhäuser werden mit diesem System ausgestattet, die Vorzüge werden dem Ausstatter von Verwaltungsbüros bewußt, die Trittschall- und Wärmedämmung akzeptiert, also mit einem guten Gefühl das System eingebaut. Kommt es dann im Stuhlrollenbereich zu Schäden innerhalb des gewählten Systems und löst sich auch noch das textile Obermaterial der Teppichbodenkonstruktion von dem fest auf der Oberfläche der Dämmunterlage geklebten TR-Gewebe, ist das Konzept für „die unendliche Geschichte“ perfekt.

Die nächste unendliche Geschichte entsteht auch dann, wenn das gewählte System (Teppichboden und lose legbare Dämmunterlage) bereits nach kurzer Zeit, ohne eine Schamponierung oder eine Sprühextraktion durchgeführt zu haben, soweit schrumpft, daß an den Wänden Fugen von 2,0 cm Breite und mehr entstehen.

Hat nun tatsächlich der Auftragnehmer nach bestem Wissen und Gewissen gemäß den Verarbeitungsrichtlinien die Dämmunterlage eingebaut und darauf den Teppichboden vollflächig, funktionsfähig geklebt, wird er bei einem Schaden der zuvor genannten Art nur schwer seine Schuld erkennen und achselzuckend danach fragen-. Warum funktioniert dieses System nicht? Bester Teppichboden und beste Unterlage als maßstabil ausgewiesen, beides stuhlrollengeeignet und der Klebstoff, ein Markenprodukt! – Ich bin mir keiner Schuld bewußt!

Der Lieferant der Dämmunterlage wird angesprochen und stellt fest: „Unser Material hat seine Funktion erfüllt und zeigt keinen Schaden – der TR-Rücken der Teppichbodenkonstruktion hat sich gelöst, hiermit haben wir nichts zu tun.“

Entsprechend seiner Sorgfalt tritt der Auftragnehmer genügsam an den Teppichbodenhersteller bzw. -Lieferanten heran und weist darauf hin: Der Teppichboden ist als stuhlrollengeeignet ausgewiesen und dennoch gab es Beulenbildungen im Stuhlrollenbereich, weil sich der TR-Rücken vom Obermaterial gelöst hat.

Der Teppichbodenhersteller weist darauf hin, daß die Prüfung der Stuhlrolleneignung nur auf starren Untergründen erfolgt und die Aussage der Stuhlrolleneignung gilt auch nur für starre Untergründe, wie z. B. gespachtelte Zementestrichflächen. Die Freigabe zur Verlegung auf einer Dämmunterlage in Verbindung mit Stuhlrolleneignung wurde nicht gegeben.

Der Auftragnehmer, ein guter Bodenleger, vielleicht Raumausstatter, Maler oder Parkettleger, wird sich die Frage stellen: „In welchem Film bin ich eigentlich?“
Vielleicht die unendliche Geschichte?

Raten Sie mal, wer ist der Verursacher und letztlich der Schuldige?

Da die Situation kein Einzelfall ist, sondern, bedingt durch die Vielfalt der unterschiedlichen Dämmunterlagen in stetiger Regelmäßigkeit bekannt wird, bedarf es einer eindeutigen und unmißverständlichen Regelung für den Auftragnehmer, damit er sicher sein kann, daß das ausgewählte System auch funktionsfähig, dauerhaft schadensfrei beansprucht werden kann.

Der aktuelle Schadensfall und was wir daraus gelernt haben

Zum Vorgang

Der Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten hat auf einer Fläche von über 200 qm Bodenbelagverlegemaßnahmen in einem Verwaltungsbüro durchgeführt.

Als Untergrund dienten hierzu wasserfest verleimte/beschichtete Tischlerplatten, auf die zunächst eine 4,0 mm dicke Spezialschaum-Dämmunterlage vollflächig mit einem bewährten Dispersionsklebstoff geklebt worden ist.

Die Spezialschaum-Dämmunterlage ist an der Oberfläche mit einem Polyestervlies als Druckverteiler ausgestattet und wird zum Zweck der Trittschall- und Wärmedämmung unter Teppichböden empfohlen und ist u. a. mit den Eigenschaften hoher Gehkomfort, leichte Verarbeitbarkeit, stuhlrollengeeignet, reinigungsbeständig etc. ausgelöst.

Im Anschluß hat der Auftragnehmer einen durchaus hochwertigen, textilen Bodenbelag mit verloursartiger Nutzschicht und TR-Ausstattung an der Rückseite ebenfalls mit einem in der Branche bewährten Dispersionsklebstoff verlegt/geklebt.

Keine vier Wochen nach Nutzungsaufnahme bekam der Auftragnehmer seitens des Auftraggebers eine offizielle Mängelrüge mit der Begründung, daß sich der verlegte/ geklebte Teppichboden in den Stuhlrollenbereichen beulenartig aufwölbt und verformt.

Was war passiert?

Zur Feststellung und Klärung der Schadensursache wurde ein Sachverständiger beauftragt, der die in der Angelegenheit beteiligten Parteien bzw. deren beauftragte Personen form- und fristgerecht zum Gutachtertermin an Ort und Stelle des Gebäudes eingeladen hat.

So hat dann der beauftragte Sachverständige mit dem großen Aufgebot der anwesenden Beauftragten die verlegten/geklebten Teppichbodenflächen insbesondere in den auf Stuhlrollenbereiche konzentrierten Schadensflächen überprüft.

In allen Arbeitsbereichen, die durch Stuhlrollen beansprucht werden, zeigte sich mehr oder weniger das gleiche Erscheinungsbild in Form von Beulenbildungen des verlegten/geklebten Teppichbodens. Wenn Nähte vorhanden waren, haben diese sich zudem nach einer Seite gehend geöffnet (Foto 1).

Zunächst wurden die Rollen der Drehstühle überprüft (Foto 2) und festgestellt, daß die Rollen harte Laufflächen aufweisen und gemäß DIN 68 131 „Rollen für Drehstühle und Drehsessel“ für textile Bodenbeläge geeignet sind. In diesem Fall handelt es sich um eine Lenkdoppelrolle, Typ „DH“ (DH = Doppelrollen – hart).

Foto 1
Foto 1
Foto 2
Foto 2


Zwecks Ursachenforschung, insbesondere zwecks Überprüfung der Bruchzone unterhalb des sich gelösten Teppichbodenmaterials hat der Sachverständige flächenbegrenzt die Bodenbelagkonstruktion eingeschnitten und vom Untergrund aufgenommen (Foto 3).
 
In der Folge war feststellbar, daß der Textilrücken der Teppichbodenkonstruktion vollflächig auf der Oberfläche der Druckverteilerschicht der 4,0 mm dicken Dämmunterlage haftet und sich im mit Stuhlrollen belasteten Bereich die textile Oberseite der Teppichbodenkonstruktion von dem Gewölbe gelöst hat (Foto 4).


 
Foto 3
Foto 3

Foto 4
Foto 4


Bei näherer Betrachtung waren pudrige, d. h. pulverartige Substanzen feststellbar, (Foto 5). Hierbei handelt es sich um zermörsertes /zermahlenes Latexbeschichtungsmaterial, das zur Applizierung des TR-Gewebes eingesetzt wird.
 
Bei der Verlegung/Klebung des Teppichbodens wurde soviel Klebstoff eingesetzt, daß nicht nur das TR-Gewebe der Teppichbodenrückseite mit der Oberfläche der Dämmunterlageverbunden war. Auch das in den Gewebefenstern befindliche, zur Applizierung des Gewebes selbst eingesetzte Latexmaterial haftete in einer dünnen Schicht auf der Oberfläche der Dämmunterlage (Foto 6).


 
Foto 5
Foto 5

Foto 6
Foto 6


Die Bruchzonen liegen somit innerhalb der zur Applizierung des Gewebes eingesetzten Latexkomponente, d. h. zwischen TR-Gewebe und textilem Obermaterial der Teppichbodenkonstruktion. Die festgestellten Erscheinungsbilder zeigten sich fortwährend innerhalb der einzelnen Prüfstellen (Foto 7). Nach Einschneiden des auf der Oberfläche der Dämmunterlage fest anhaftenden TR-Gewebes (Foto 8) wird dieses gewaltsam vom Untergrund hochgerissen, wozu entsprechende Kraftanstrengung notwendig war (Foto 9).


 
Foto 7
Foto 7

Foto 8
Foto 8

Foto 9
Foto 9


Unterhalb des TR-Gewebes wurde ein funktionsfähiges Klebstoffbett in Riefenform festgestellt, wobei nach Abschälen des Gewebes Anhaftungen der Latexkomponenten der Teppichbodenkonstruktion zurückblieben (Fotos 10 und 11).


 
Foto 10
Foto 10

Foto 11
Foto 11


Das sich vom Gewebe gelöste, textile Obermaterial der Teppichbodenkonstruktion zeigte an der Rückseite ebenfalls neben dem Verfestigungsanstrich deutlich erkennbar Anhaftungen der Latexkomponente, die zur Applizierung des TR-Gewebes eingesetzt worden ist (Foto 12).


 
Foto 12
Foto 12

Das war besonders aufgefallen

Arbeitsbereiche, die von mit Rollen ausgestatteten Drehstühlen belastet wurden, zeigten auch, wie bereits erwähnt, Nähte innerhalb der Teppichbodenflächen. Auffallend war, daß – durch die Nahtkanten abgegrenzt – der Rand der einen Teppichbodenbahn Ablösungserscheinungen des Obermaterials der Teppichbodenkonstruktion zeigte und der Rand der Nahtkanten der angrenzenden, gegenüberliegenden Teppichbodenbahnen keine Schäden – also Ablösungen – aufwies.

Zwecks Oberprüfung hat der Sachverständige den ursprünglich fest auf der Oberfläche der Dämmunterlage arretierten Teppichboden ebenfalls eingeschnitten und vom Untergrund aufgenommen. Nur unter größter Kraftanstrengung war es möglich, den Teppichboden mehr oder weniger von der Oberfläche der Dämmunterlage abzureißen, wobei wiederum das TR-Gewebe auf der Oberfläche der Dämmunterlage haften blieb.

Materialprüfungen zwecks Ursachenforschung

Der Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten war noch im Besitz einer Metrage der 4,00 m breiten Teppichbodenbahn. Folglich hat der Sachverständige ein ca. 60 cm langes und 4,00 m breites Teppichboden-Rückstellmuster für weitergehende Prüfungen im Labor des Institutes erhalten.

Materialprüfungen im Labor des IFR

Zunächst wurde das zur Verfügung stehende Teppichboden-Rückstellmuster optisch überprüft und hierbei insbesondere die mit TR-Gewebe ausgestattete Rückseite. Auffallend deutlich zeigte sich, daß die Einbettung des TR-Gewebes in das zur Applizierung eingesetzte Latexmaterial unterschiedlich tief vorlag.

Während im Randbereich parallel zur Produktionskante der Bahn auf der einen Seite das TR-Gewebe deutlich als Ganzes sichtbar war, zeigte der gegenüberliegende Randbereich eine tiefe Einbettung des Gewebes in dem zur Applizierung eingesetzten Latexmaterial.

Zwecks Oberprüfung hat der Sachverständige durch Schälzugprüfungen an 50 mm breiten Teppichbodenstreifen geprüft, ob unterschiedliche Kräfte beim Abschälen des TR-Gewebes vom textilen Obermaterial entstehen bzw. zwecks Abschälens erforderlich sind.

Anhand einer Teppichbodenfläche aus den jeweiligen Randbereichen (links und rechts) wurden jeweils 11 Schälzugprüfungen durchgeführt.

Die Schälzugprüfungen ergaben eindeutig Unterschiede in der Arretierung des TR-Gewebes.

Während an der einen Bahnenrandseite zwischen 40 und 48 Newton / 50 mm Zugkraft zum Abschälen des TR-Gewebes notwendig waren (Foto 13), wurden an der gegenüberliegenden Seite Schälzugkräfte zwischen 54 Newton / 50 mm und 62 Newton/ 50 mm ermittelt, wobei zum Teil durch das Abschälen des TR-Gewebes anhaftendes Polfasermaterial aus der Teppichbodenkonstruktion herausgerissen wurde (Foto 14).

Foto 13
Foto 13
Foto 14
Foto 14


Das verursachte Bruchbild durch das Abschälen des TR-Gewebes hat bestätigt, daß in Abhängigkeit der Einbettung des TR-Gewebes in das zur Applizierung eingesetzte Latexmaterial die Schälzugkräfte unterschiedlich hoch oder niedrig ausfallen.
 
Während die geringeren Schälzugkräfte (zwischen 40 Newton/50 mm und 48 Newton / 50 mm) auch eine geringe Einbettung in das zur Applizierung des Gewebes eingesetzte Latexmaterial zeigte (Fotos 15 und 16), waren die hohen Schälzugwerte (zwischen 54 Newton/50 mm und 62 Newton/ 50 mm) in Verbindung mit einer Tiefeinbettung des Gewebes im Latexmaterial feststellbar (Fotos 17 und 18).


 
Foto 15
Foto 15

Foto 16
Foto 16

Foto 17
Foto 17
Foto 18
Foto 18


Die im Labor des IFR festgestellten, unterschiedlichen Schälzugkräfte bestätigen die vor Ort festgestellte Situation, daß die jeweiligen Ränder, d. h. die Außenkanten einer Teppichbodenbahn, eine unterschiedlich gute Haftkraft des TR-Gewebes am textilen Obermaterial der Teppichbodenkonstruktion aufweisen.

Wie sind die unterschiedlichen Schälzugergebnisse (Newton 150 mm) im Verhältnis zu den vorhandenen Schäden zu werten?

Selbstverständlich sind die durchgeführten Schälzugprüfungen im Praxisvergleich oder in Verbindung mit der vorliegenden Stuhlrollenbeanspruchung direkt nicht aussagefähig oder vergleichbar.

Die gemessenen Schälwiderstände zwischen TR-Gewebe und textilem Obermaterial lassen jedoch einen Schluß zu, ob und inwieweit Differenzen vorhanden sind, wobei in diesem Fall Objekt bezogen die Schäden auch dort vorgekommen sind, wo die geringeren Schälzugwerte festgestellt wurden.

Entsprechend dem Stand der Technik und der vorliegenden Erfahrung sowie der Prüfungsergebnisse sind Schälzugwerte zwischen TR-Gewebe und textilem Obermaterial einer Teppichbodenkonstruktion von ca. 30 Newton/50 mm als gut und ausreichend für die Stuhlrollenbelastung zu bezeichnen, sofern die Verlegung / Klebung auf einem starren Untergrund (z. B. gespachtelter, mineralischer Estrich) erfolgt. In Verbindung mit elastischen Unterlagen sind jedoch höhere Schälzugwerte erforderlich, die in Verbindung mit einem Latexmaterial zwecks Applizierung des Gewebes nur schwer zu erzielen sind.

Einige Teppichbodenhersteller verwenden bereits kein Latex für die Applizierung des TR-Gewebes, sondern Polyethylen-Pulverbeschichtungen.

Selbstverständlich und das muß auch der Auftragnehmer akzeptieren/argumentieren, sind diese Applizierungsverfahren teurer und schlagen sich auf den Quadratmeterpreis einer Teppichbodenkonstruktion nieder.

Warum kommt es, bei Teppichböden mit TR-Gewebeausrüstung konzentriert in Verbindung mit elastischen Dämmunterlagen zu Ablösungen ?

Bei der Verlegung/Klebung eines textilen Bodenbelages auf starre Untergründe werden die von oben einwirkenden, statischen Kräfte direkt auf die Oberfläche des Untergrundes übertragen. Anders ist dies bei der Verlegung/Klebung eines Teppichbodens auf elastischer Dämmunterlage.

Durch die statische Belastung, d. h. Begehen, Berollen etc., werden innerhalb des als „Sandwich“ zu bezeichnenden Systems unterschiedliche Kräfte verursacht. Nachvollziehbar ist, daß Druckpunktbelastung sowie Roll- und Walkbewegungen als Beanspruchung von oben (diese entsteht z. B. bei der Stuhlrollenbelastung) durch die punktuelle Kornprimierung, d. h. durch das Einsinken der belasteten Rolle in die Dämmunterlage, in wiederholter Form Scherzugkräfte entstehen. Nach und nach wird, insbesondere bei Dauerbeanspruchung, das kohäsive und adhäsive Verhalten der Arretierungszone zwischen TR-Gewebe und textilem Obermaterial der Teppichbodenkonstruktion geschwächt und letztlich zerstört.

Zur eigenen Verdeutlichung der entstehenden Scherzugkräfte nehmen Sie nur mal eine elastische Unterlage, legen darauf ein Blatt Papier und drücken dieses mit dem Daumen auf die Dämmunterlage. Die daraus resultierenden Spannungen sind sofort erkennbar und machen deutlich, daß erhebliche Scherzugkräfte, d. h. Horizontalkräfte, die Arretierungszone zwischen TR-Gewebe und textilem Obermaterial einer Teppichbodenkonstruktion beanspruchen.

Reicht ein Stuhlrollentest aus, um festzustellen, ob und inwieweit ein textiler Bodenbelag mit TR-Gewebe an der Rückseite bei Kombination mit einer bestimmten elastischen Dämmunterlage einsetzbar ist ?

Vielzählige Tests dieser Art haben wir veranlaßt und hierbei festgestellt, daß bei einer normengerechten Stuhlrolleneignungsprüfung gemäß DIN 54 324 viele textile Bodenbeläge in Kombination mit elastischen Unterlagen funktionsfähig sind, d. h. schadensfrei die Prüfung überstehen.

Letztlich kam es dennoch bei geprüften Konstruktionen bzw. Systemen zu Fußbodenschäden im Stuhlrollenbereich, so daß wir uns die Frage stellen mußten: Reicht ein Stuhlrollentest nach DIN 54 324 zur Bestätigung eines Systems (Dämmunterlage und Teppichboden) aus, um zu beurteilen, ob die Komponenten zusammen geeignet sind ?

Die Ergebnisse der Forschung bestätigen ein eindeutiges NEIN.

Bei einem Stuhlrollentest nach DIN 54 324 wird die auf einer Probeplatte vollflächig geklebte Dämmunterlage und der darauf vollflächig geklebte Teppichboden von drei belasteten Rollen beansprucht.

Der Probentisch und der Rollenhalter werden in Relation zueinander so angetrieben, daß neben dem geradlinigen Verlauf der Rollen an bestimmten Stellen der beanspruchten Fläche auch eine Umkehrbewegung von annähernd 160′ stattfindet.

Nach jeweils 5.000 bzw. 25.000 Umdrehungen erfolgt die Beurteilung zwecks Ermittlung des Prüfungsergebnisses.

Wir haben Tests veranlaßt, bei denen nicht, wie gemäß und nach DIN 54 324 üblich, die Stuhlrollenbeanspruchung kontinuierlich durchläuft, sondern im Rhythmus von drei Minuten unterbrochen wird, d. h. drei Minuten Laufzeit des Stuhlrollenprüfgerätes und drei Minuten Standzeit, drei Minuten Laufzeit USW.

Bei dieser Intervallschaltung zeigten die zunächst als schadensfrei nach DIN 54 324 geprüften Systeme zu ca. 65% Schäden in Form von Abtrennungen zwischen TR-Gewebe und textilem Obermaterial der Teppichbodenkonstruktion.

Grund und Ursache der festgestellten Sachverhalte sind nachvollziehbar, denn der Nebeneffekt von Dämmunterlagen unter Teppichen ist das Einsinken der Rollen eines belasteten Drehstuhls. Auf dem Drehstuhl sitzend, bedarf es schon kräftiger Beinarbeit, den Drehstuhl aus der Position herauszudrücken, um zu rollen und das am Tage viele Male.

Bei einem mit 5.000 bzw. 25.000 Umdrehungen durchlaufenden Stuhlrollentest werden Unterlage und Teppichboden kontinuierlich gleichbleibend komprimiert. Bei der Einschaltung eines Intervalls kann sich das System, d. h. die Dämmunterlage und der Teppichboden innerhalb von drei Minuten wieder erholen und wird dann erneut drei Minuten beansprucht.

Nach unserer Auffassung kommt die Testmethode in Verbindung mit der Intervallschaltung (3 Minuten Laufzeit /3 Minuten Standzeit) der Praxis etwas näher, denn es wird nachvollziehbar sein, daß die Stuhlrollenbeanspruchung innerhalb eines Arbeitsplatzes auch nicht kontinuierlich erfolgt, sondern in unregelmäßigen Intervallen.

Weitergehende Tests haben ergeben, daß in Verbindung mit unterschiedlichen Klebeversuchen die Klebstoffauftragsmenge zur Arretierung des jeweiligen Teppichbodens nur von untergeordneter Bedeutung ist, sondern viel wichtiger ist die Art und Eigenschaft des Klebstoffes selbst, die ebenfalls einen nennenswerten Faktor des Beeinflussungsgrades beinhaltet.

Die bei den Prüfmaßnahmen eingesetzten, unterschiedlichen Dämmunterlagen zeigen selbstverständlich einen Beteiligungsgrad an entstehenden Schäden bzw. TR-Rückenablösungen in Abhängigkeit der Elastizität.

Weiche Dämmunterlagen ohne lastverteilende Stabilierungsschicht an der Oberfläche führen deutlich eher zu Schäden dieser oder ähnlicher Art als hart eingestellte Dämmunterlagen mit Stabilisierungsvlies, Kraftpapier oder Gewebe an der Oberfläche.

Was sagen Hersteller und Lieferanten der Unterlagen und Teppichbodenkonstruktionen zu diesem Thema ?

Naturgemäß wird bei einem Schadensfall der jeweilige Materiallieferant zunächst die Sachlage prüfen, um festzustellen, ob und inwieweit tatsächlich ein eindeutiger Materialfehler vorliegt und/oder andere schadensursächliche Faktoren relevant sind, die dann mit entsprechenden Hinweisen in die Argumentationskette zur Reklamationsbearbeitung einfließen.

Die Normung, somit auch die Teppichnormung, DIN 66 095 als auch die VOB, Teil C, DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“ und die diesbezüglichen Erläuterungen machen keine eindeutige Aussage zu diesem Thema, so daß sich ein Teppichbodenhersteller und -Lieferant tatsächlich ein wenig allein gelassen fühlen muß.

So werden seitens der betroffenen Teppichbodenhersteller/-lieferanten und Unterlagenhersteller/-lieferanten unterschiedliche Argumente verwendet, um den Verantwortungsbereich einzugrenzen.

Nachfolgend ein paar Beispiele dieser Argumente im Zitat:

  • „Werden heute Systemverlegungen (TR-Rücken- und Dämmbelag) in gewissen Objekten gewünscht, so werden speziell für das Objekt beim TFI der eingesetzte Tebo, Dämmbelag und Klebstoff geprüft.
  • Falls alle drei Komponenten der Belastung nach DIN 54 324 standhalten, erfolgt die Freigabe durch das TFI.“ Nun, ob das TFI die Verantwortung für ein komplettes Fußbodensystem und das Material übernimmt, sei einmal dahingestellt. Die Tatsache ist, daß – wie zuvor beschrieben wurde – die Prüfung nach DIN 54 324 keine Aussage über die Funktionsfähigkeit des Systems geben kann.
  • „Die Art der notwendigen Vorprüfung muß vom Verleger mit dem entsprechenden Lieferanten geklärt und veranlaßt werden.“

Wenn der Verleger, d. h. Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten nunmehr den Kenntnisstand besitzen muß, welche notwendigen Prüfmaßnahmen erforderlich sind und er diese auch noch auf seine Kosten veranlassen soll, stellt sich die Frage: Wie soll der Verleger die Situation klären, wenn sich die gesamte Thematik in der Branche für den Teppichbodenhersteller sowie den Hersteller und Lieferanten der Dämmunterlage und ggf. auch noch im Zusammenhang mit dem Klebstoffhersteller/-lieferanten nicht klären läßt ?

Ein weiteres, aber anderes Problem

Der Sinn und Zweck von lose legbaren Dämmunterlagen und die daraus resultierenden Vorteile sind bekannt. Verschiedene Spezialdämmunterlagen werden empfohlen, lose auszulegen, um darauf vollflächig textile Bodenbeläge mit TR-Gewebeausstattung zu kleben, wobei auch seitens des Unterlagherstellers/-lieferanten die Stuhlrolleneignung zugesichert wird.

Es ist kein Einzelfall mehr, daß Systeme dieser Art eingebaut wurden und nach kurzer Zeit der Auftraggeber Fugenbildungen im Wand angrenzenden Bereich reklamiert, die infolge von Schrumpfungen (Einlaufen) des Systems entstanden sind.

Nun stellt sich die Frage, wodurch wurden die Schrumpfungen verursacht ?

Die Tests im IFR haben bestätigt, daß überwiegend die elastischen, lose legbaren Dämmunterlagen maßstabil sind und textile Bodenbelagkonstruktionen in Bahnenform, lose verlegt, nicht als absolut maßstabil/dimensionsstabil bezeichnet werden können.

Für textile, getuftete Bodenbeläge in Bahnen gibt es in der derzeitigen Normung, hinsichtlich Maßänderungstoleranzen keine Hinweise /Vorgaben.

Wird ein Tuftingbodenbelag in Bahnen nach DIN 54 318 (Bestimmung der Maßänderung bei wechselnder Einwirkung von Wasser und Wärme) geprüft, ergeben sich überwiegend Schrumpfungen zwischen 1,0 bis 1,5 %.

Die beim Schrumpfungsbestreben freiwerdenden Kräfte werden nicht von jeder lose legbaren Dämmunterlage gehalten, so daß dann zwangsläufig in den Randbereichen Fugenbildungen entstehen.

Was ist jetzt zu tun ?

Unaufhaltsam werden die beschriebenen, elastischen Dämmunterlagen unterschiedlicher Art und Beschaffenheit entsprechend dem Stand der Technik immer häufiger eingesetzt und verwendet, so daß auch die dargestellte Problematik zunehmend an Bedeutung gewinnen wird.

Es besteht Handlungsbedarf und das Problem kann nur kooperativ zwischen Teppichbodenherstellern/-lieferanten und den Dämmunterlagherstellern /-Lieferanten in Zusammenarbeit mit der Klebstoffindustrie gelöst werden.

Der Teppichboden ist immer noch die bedeutendste Menge Bodenbelag der Fußbodenbranche, so daß es sich lohnt, Zeit und Arbeit zu investieren, auch diese Probleme zu lösen. Sicher ist dies nur möglich, wenn die entsprechenden Verbände und Vereine aufeinander zugehen, denn jedes Negativ-Image des Teppichbodens sollte durch Agieren verhindert werden, um es gar nicht erst entstehen zu lassen.

Nimmt sich diesem Thema keiner an, werden keine Hausaufgaben gemacht, holt die Realität irgendwann jeden, ob Verarbeiter oder Hersteller/Lieferant wieder ein und das Ganze bleibt die unendliche Geschichte.

Abschlußbemerkung

Derzeit bleibt dem Auftragnehmer für Bodenbelagarbeiten nur die Möglichkeit, bei der Auswahl eines Systems, d. h. einer Dämmunterlage, eines Klebstoffes und einer bestimmten Teppichbodenkonstruktion, die schriftliche Freigabe und Zusicherung der jeweiligen Materiallieferanten abzufordern.

Vielleicht ist es auch an der Zeit, die technischen Merkblätter und die entsprechenden Empfehlungen für die Einsatzbereiche, die heute durch Piktogramme dargestellt werden, zu ergänzen, wie z. B.:

  • stuhlrollengeeignet (nur vollflächig geklebt, auf starrem Untergrund)
  • stuhlrollengeeignet (auf elastischen Unterlagen, wie z. B … )
  • stuhlrollengeeignet (auch auf lose verlegbaren elastischen Spezialunterlagen, wie z. B …. )
  • mit Dämmunterlage in Arbeitsbereichen Drehstuhlunterlagen verwenden
  • geeignet zur vollflächigen Verklebung auf lose liegenden Unterlagen
  • Bei der Verlegung/Klebung auf lose liegenden Unterlagen nur Trockenreinigung empfohlen.
  • sprühextraktions- und schamponiergeeignet, auch in Verbindung mit lose liegenden Unterlagen
  • Mit TR-Gewebeausstattung auch verspannbar
  • treppengeeignet (Kantenradius >1,0 cm) – treppengeeignet nur mit elastischer Unterlage (mind. 3,0 mm)
    … usw.

Die Darstellung der in diesem Bericht erläuterten Problematiken sollen nicht die Situation dramatisieren. Aber es fällt uns schwer, auf der einen Seite zuzusehen, daß die kompetenten Entscheidet nicht reagieren und daß auf der anderen Seite dem Verarbeitet die Problematik nicht in jeder Hinsicht bewußt ist.

So mußten wir vor kurzem den Schadensfall bearbeiten, wo ein Malermeister auf einer Fläche von annähernd 1.000 in auf einer vollflächig geklebten, elastischen Unterlage wiederum einen Tuftingteppichboden mit Prägeschaumrückseite in einem Verwaltungsbüro vollflächig geklebt hat und nunmehr in allen Arbeitsbereichen Beulenbildungen vorliegen.

Unstreitig ist, daß aus technischer Sicht der Auftragnehmer den Schaden zu vertreten hat, aber immer wieder fällt es schwer, an die tragischen Folgen zu denken, wenn ein Familienunternehmen für die Sanierungskosten und in diesem Fall insbesondere der Nutzungsausfallkosten geradestehen muß, aber nicht kann.

Aus diesem Grunde wünschen wir uns eine Zusammenarbeit, die einerseits zur Weiterentwicklung und Optimierung von Teppichbodenkonstruktionen führt und andererseits zur Aufklärung der Prüfungs- und Sorgfalts- sowie Hinweispflichten des Auftragnehmers.

Die guten Beispiele schreiten voran, und in jüngster Vergangenheit trafen wir auf Teppichbodenhersteller, die sich der Problematik angenommen haben und intensiv über neue Applizierungsverfahren und TR-Gewebeausstattungen verfügen.

Vielleicht können wir bald über neue Teppichbodenkonstruktionen und Unterlagen als Systemboden berichten.