In einem gehobenen Einrichtungsgeschäft in München zeigte der eingesetzte Frisé sowohl in der Ausführung Reine Schurwolle als auch in der 80% Schurwolle/ 20% Nylon-Mischung starke Flusenbildung; an den Treppenkanten einer vorhandenen Wendeltreppe war die Qualität bis zum Grundgewebe abgenutzt. Der Inhaber des Geschäftes machte den Hersteller für die mangelhafte Qualität des Teppichbodens verantwortlich. Das Institut für Fußboden- und Raumausstattung wurde mit der Überprüfung des schadhaften Teppichbodens beauftragt, genauer lautete der Auftrag:
Gutachterauftrag
- Überprüfung des Zustandes und Beschaffenheit der verlegten Teppichbodenebene in den Geschäftsräumen des Einrichtungsgeschäftes in München, Erdgeschoß und 1. OG sowie Treppenaufgang.
- Zeigt die Teppichbodenkonstruktion in der Ausführung 100% Reine Schurwolle oder 80% Reine Schurwolle/20% Nylon abnormes Ausflusen und sind zudem hierfür geringe Kapillareinbindungen der Polnoppen verantwortlich?
- Soweit überproportionales Ausflusen der Schurwolle der Teppichbodenkonstruktion festgestellt wird, ist zu klären, ob und inwieweit die Situation auf zu geringe Stappellänge der Wolle zurückzuführen ist und/oder das Ausflusen eine Folge von Untertrocknung oder Falschpflege ist.
- Wird die Reinigung und Pflege der Wollteppichböden fachgerecht durchgeführt? Welche Reinigungsgeräte und -mittel wurden/ werden eingesetzt?
- Für den Fall, daß zur Beantwortung der in diesem Gutachterauftrag aufgeführten Fragen, textiltechnologische Laborprüfungen notwendig werden, sind diese zwecks Ursachenfindung zu veranlassen.
„Protokoll“ des Gutachtertermins
Der Sachverständige des Instituts wurde anläßlich des Gutachtertermins darauf hingewiesen, daß der Frisé einerseits für den Ausstellungsbereich mit der veloursartigen Nutzschicht aus 100% Reiner Schurwolle und andererseits für die Arbeitsfläche in der Ausführung 80% Wolle mit 20% Nylon geliefert worden war. Bei der Anlieferung der Teppichbodenrollen sollen diese nicht differenziert gekennzeichnet worden sein, so daß nicht nachvollziehbar war, wo und in welcher Menge und ob überhaupt bei der Verlegung/Klebung der Teppichbodenbahnen der Unterschied Arbeitsbereich zu Ausstellungsbereich gemacht werden konnte/gemacht wurde.
1. ERDGESCHOSS
- Unmittelbar im Eingangsbereich ist eine sogenannte Sauberlaufzone (circa 1,60 m lang) ausgelegt (Foto 1).
- Über diese Sauberlaufzone und eine anschließende Steinplattenfläche ist die Teppichbodenebene des Ausstellungsbereiches im Erdgeschoß zugängig.
2. WENDELTREPPE
- Die im Ausstellungsbereich verlegte Teppichbodenqualität befindet sich ebenfalls auf den Treppenstufen der Wendeltreppe (Foto 2).
- Die Trittflächen der Treppenstufen und insbesondere die Vorderkanten zeigen deutlich erkennbare Abnutzungserscheinungen.
- Im Laufzonenbereich/Trittbereich der vorderen Treppenkante ist die veloursartige Teppichbodennutzschicht z. T. bis hin zum Grundgewebe abgeschlissen (Foto 3).
- Der Kantenradius der Treppenstufen ist > 1,0 cm, wobei die Teppichbodenkonstruktion direkt auf die Treppenstufen, d. h. ohne elastische Unterlage auf der Treppe verlegt/geklebt worden war.
3. AUSSTELLUNGSBEREICH
- Beim Begehen der Teppichbodenebene im Erdgeschoß ist festzuzustellen, daß bei schleifender Geh-/Schrittart konzentriert Faseranhaftungen am Schuhwerk auftreten (Foto 4).
- Beim Aufbürsten der veloursartigen Nutzschicht der Teppichbodenkonstruktion werden Aufwirbelungen von Fasermaterialien der Teppichbodenoberfläche verursacht.
- Die aufgewirbelten Fasern haften infolge der elektromagnetischen Aufladung an Einrichtungsgegenständen.
- Die stichprobenartig durchgeführten Bürstbehandlungen an der Oberfläche der veloursartigen Nutzschicht ergeben, daß mehr oder weniger gleichbleibend durch das Aufbürsten deutliche Mengen an Fasermaterial aufgewirbelt werden (Foto 5).
- Die Überprüfung der raumklimatischen Bedingungen zum Zeitpunkt des Gutachtertermins mittels eines elektronischen Präzisionsmeßgerätes ergibt folgende Werte:
– relative Luftfeuchtigkeit: 48,0 bis 50,0 %
– Lufttemperatur: 19,5 bis 20,5 °C
4. OBERGESCHOSS
- Innerhalb der veloursartigen Nutzschicht der Teppichbodenebene (geradeaus zum Bürotrakt hinführend) liegen erhebliche Schattierungseffekte (Hell-Dunkel-Effekte) infolge Florverlagerungen (Foto 6).
5. WENDELTREPPE
Die Stufen der Wendeltreppe wurden ebenfalls mit dem Frisé ausgelegt. Die Vorderkanten der Trittstufen zeigen auch Abnutzungserscheinungen der veloursartigen Nutzschicht in geringerer Intensität als sie bei der zuvor beschriebenen Wendeltreppe feststellbar waren (Foto 7). In den nicht oder nur wenig frequentierten Bereichen der Treppenstufen/Trittkanten liegt mehr oder weniger der Urzustand der veloursartigen Nutzschicht vor.
Weitere Feststellungen
- Die Teppichbodenebene des von dieser Wendeltreppe im 1. OG ausgehenden Ausstellungsbereiches zeigt hinsichtlich der Flusenbildung bzw. Flusenanhaftung am Schuhwerk nach Begehung gleichgelagerte Erscheinungsbilder.
- Die Teppichbodenebene im Laufzonenbereich zum Bürotrakt hinführend, zeigt eine optisch erkennbare Laufstraße.
- Zwecks Ursachenforschung hat der Sachverständige vor Ort Detachurmaßnahmen durchgeführt, und hierbei festgestellt, daß die in sich dunklere Laufstraße durch Kontaktschmutzanhaftungen verursacht wird (Foto 8).
- Die Überprüfung der raumklimatischen Bedingungen im 1. OG mittels dem bereits genannten elektronischen Präzisionsmeßgerät ergibt folgende Werte:
– relative Luftfeuchtigkeit: 38,0 bis 40,0 %
– Lufttemperatur: 20,5 bis 21,5 oC - Innerhalb eines Arbeitsbereiches werden die Rollen der Drehstühle überprüft.
- Hierbei ist festzustellen, daß die Rollen der Drehstühle mit Lenk-Doppelrollen Typ „DH“ ausgestattet sind und der DIN 68131 „Rollen für Drehstühle und Drehsessel“ entsprechend, also für textile Bodenbeläge geeignet sind.
- Die Überprüfung der Teppichbodenfläche im Arbeitsbereich der durch einen Drehstuhl mit Lenk-Doppelrollen beansprucht wird, ergibt, daß die veloursartige Nutzschicht mehr oder weniger bis hin zum Grundgewebe verschlissen ist (Foto 9).
- Die Überprüfung der Rollen des Drehstuhls ergibt, daß diese der DIN 68 131 entsprechen und als Lenk-Doppelrolle mit harten Laufbändern (Typ DH) für textile Bodenbeläge geeignet sind.
- Im Übergangsbereich der Teppichbodenebenen der einzelnen Büroräume zur Teppichbodenebene des Verbindungsflures hinführend, zeigt sich, daß Farbdifferenzen aneinandergrenzender Teppichbodenflächen vorliegen, wobei weitergehend parallel ein durch die Nahtkante begrenzter Anschmutzungseffekt vorliegt (Foto 10).
Reinigung und Pflege
Anläßlich des Gutachtertermins hat der unterzeichnende Sachverständige die Vorgehensweise der Pflege und Reinigung des Teppichbodens hinterfragt. In diesem Zusammenhang wird zu Protokoll gegeben, daß die Pflege und Unterhaltsreinigung mittels eines Staubsaugers nach Bedarf erfolgt. Bei diesem Staubsauger handelt es sich um einen sogenannten Kesselstaubsauger.
Mittels dieses Staubsaugers wird, gemäß den Protokollangaben nach Bedarf und Notwendigkeit, die ca. 2.000 qm große Teppichbodengesamtfläche im Erdgeschoß und 1. OG gepflegt/gereinigt.
Im Rahmen der Abschlußbesprechung hat der Sachverständige darum gebeten, Original-Rückstellenmuster der Teppichbodenqualität zwecks Durchführung von Laborprüfungen zu erhalten.
Ergebnis des Gutachters
Nach Überprüfung der auch zur Verfügung gestellten Teppichbodenmuster kam das Institut für Fußboden- und Raumausstattung zu folgendem Ergebnis
Punkt 1 des Auftrags:
Siehe Ausführungen auf den vorangegangenen Seiten.
Punkt 2 des Auftrags:
Die Unterscheidung, ob und inwieweit in welchen Flächenbereichen der Frisé in der Ausführung 100% Reine Schurwolle und/oder 80% Reine Schurwolle/20% Nylon verlegt worden ist, konnte anläßlich des Gutachtertermins nicht geklärt werden. Dem Bauherrn/Nutzer war nicht bekannt, in welchen Flächenbereichen welche Teppichbodenqualität verlegt worden war, da gemäß den Protokollangaben eine Kennzeichnung der angelieferten Teppichbodenrollen fehlte.
Anläßlich des Gutachtertermins wurden Verschleißerscheinungen der verlegten Teppichbodenflächen festgestellt. Diese Verschleißerscheinungen konzentrierten sich auf den mit dem Teppichboden ausgelegten Treppenstufen der zwei Wendeltreppen (vordere Trittkanten) und dem in dieser gutachtlichen Stellungnahme beschriebenen Stuhlrollenbereich.
Unter Beachtung der nachfolgenden Ausführungen kann die Verantwortlichkeit für die Ursache der Verschleißerscheinungen nicht der geringen Kapillareinbindung der Polnoppen/-fasern zugeordnet werden.
Dies deshalb, weil:
a) der eingesetzte Frisé nicht treppengeeignet ist, und auch nicht als treppengeeignet bezeichnet wird;
b) die Teppichbodenqualität auch nicht stuhlrollengeeignet ist, und als solches auch nicht bezeichnet wird.
Gemäß dem technischen Merkblatt/der Produktbeschreibung und der Kennzeichnung der Verkaufsmuster ist der Frisé als einsatzfähig für den Ruhebereich und Wohnbereich gemäß den ausgewiesenen Piktogrammen gekennzeichnet.
Die Teppichbodenkonstruktionen aus 100% Reiner Schurwolle bestehen nur selten die Eignungsprüfungen für Stuhlrollenbeanspruchung und/oder Treppeneignung.
Bei gemischten Nutzschichten, wie z. B. 80% Schurwolle und 20% Nylon erscheinen im Handel in geringem Umfang Teppichbodenkonstruktionen, die als solches als stuhlrollengeeignet und treppengeeignet ausgewiesen sind.
In diesem Fall, d. h. bei der hier eingesetzten Frisé-Qualität werden diese Eigenschaften nicht zugesichert.
In der Praxis ist es durchaus üblich, daß nach Absprache mit dem Auftraggeber/Bauherrn dennoch Teppichbodenqualitäten dieser Qualität auf Treppenstufen und in Stuhlrollenbereichen verlegt/geklebt werden.
In diesem Zusammenhang werden dann aber Vorbeugungsmaßnahmen getroffen, d. h. bei der Verlegung auf Treppenstufen wird zuvor eine weiche, trittelastische Unterlage verlegt, so daß die mechanische Belastung infolge der Elastizität durch die Unterlage, besonders an der Treppenkante dezimiert wird.
In den Stuhlrollenbereichen haben sich bereits seit Jahren zur Schonung der Teppichbodenkonstruktion Bürostuhlunterlagen (Polykarbonat) bewährt.
Punkt 3 und 4 des Auftrags:
Bei erster Inaugenscheinnahme und Begehung der im Erdgeschoß und 1. OG verlegten/geklebten Teppichbodenqualität entsteht durchaus der Eindruck, daß ein abnormes/überproportionales Ausflusen der veloursartigen Nutzschicht vorliegt. Hinsichtlich der Frage der zu geringen Stapellänge des Fasermaterials/der Wolle wird auf die Beantwortung im nachfolgenden „Punkt 5“ hingewiesen.
Die Frage nach Untertrocknung und/oder Falschpflege ist dahingehend zu beantworten, daß: die festgestellten/ gemessenen, relativen Luftfeuchtigkeiten (im Erdgeschoß 48,0 bis 50,0 % – im 1. OG 38,0 bis 40,0 %) als zu gering zu bezeichnen sind, so daß in der Folge eine Untertrocknung und möglicherweise daraus resultierende Versprödung der Wollfasern auf Dauer gesehen nicht ausgeschlossen werden kann.
Somit ist eindeutig und mithin notwendig, daß die relative Luftfeuchtigkeit innerhalb der Ausstellungsräume nicht nur unter dem Aspekt der Untertrocknung des Schurwollteppichbodens erhöht wird (z. B. durch Luftbefeuchter etc.), sondern auch unter Beachtung des menschlichen Wohlempfindens.
So umschreibt z. B. die Arbeitsstätten-Schutzverordnung eine relative Luftfeuchtigkeit von ca. 60 % als optimal, da trockene Luft mithin Schleimhautreizungen und daraus resultierende Beschwerdeerscheinungen der Menschen in Form z. B. der Reizungen der Nasen- und Rachenschleimhäute sowie Augenreizungen hervorrufen kann.
Die Reinigung und Pflege erfolgt auf der ca. 2.000 m2 umfassenden Gesamtfläche mittels eines Kesselstaubsaugers (Foto 13), der gemäß den Protokollangaben nach Bedarf eingesetzt wird. Entsprechend den Protokollangaben bedeutet hierbei „nach Bedarf“, daß nur in den Bereichen, wo Schmutzansammlungen erkennbar werden, Reinigungsmaßnahmen durch Staubsaugen ergriffen werden. Eine grundlegende trockenmechanische Reinigung durch regelmäßiges Staubsaugen der gesamten Teppichbodenfläche wird nicht durchgeführt.
Die Reinigung des Original-Rückstellmusters mit Hilfe eines leistungsfähigen Bürstsaugers mit vorgeschalteten Feinstaubfilter ergab nach dem 4. Saugdurchgang kaum mehr sich ablösende Fasersubstanzen (Foto 11). Wobei die Laboruntersuchung auch ergab, daß hochwertige, gewebte Beläge aus 100% Reiner Schurwolle bei Begehung ohne regelmäßige trockenmechanische Reinigung stärkere Flusenbildungen aufweisen (Foto 12).
Die obere Aussage, daß eine grundlegende trockenmechanische Reinigung nicht stattfindet ist auch insofern nachvollziehbar, da ein Staubsaugegerät allein nicht ausreichen wird, um in einer angemessenen Zeit die Gesamtfläche von ca. 2.000 qm abzusaugen.
Somit ist eine ausreichende Pftege durch Staubsaugen der im Erdgeschoß und 1. OG verlegten Teppichbodenebene nicht nachvollziehbar feststellbar.
Punkt 5 des Auftrags:
Im Zuge der Beauftragung des Instituts für Fußboden- und Raumausstattung wurde ein Sachverständigengutachten vom Deutschen Wollforschungsinstituts, Aachen, übergeben, sowie weitergehend eines weiteren Sachverständigen. Zur endgültigen Feststellung der Eigenschaft des Frisés wurde dem Österreichischen Textil-Forschungsinstitut, Wien, als staatlich autorisierte Prüfanstalt, das seitens des Einrichtungsgeschäfts übersandte Mustermaterial zwecks Prüfung zur Verfügung gestellt.
Das Gutachten beschreibt eindeutig, daß die ermittelten Prüfungsergebnisse in Bezug auf die zur Verfügung gestellten Prüfmuster hinsichtlich Flusenbildung kein abnormales Verhalten zeigen, und als mangelfrei zu bezeichnen sind.
Fazit
In drei Punkten läßt sich das Gutachter-Ergebnis nochmals zusammenfassen:
- Der Frisé wird in Bereichen eingesetzt, wo dieser eindeutig überfordert ist (Treppenstufen und Stuhlrollenbereiche)
- die trockenmechanische Reinigung in Form von Staubsaugen erfolgt unzureichenderweise nicht regelmäßig und nicht vollflächig.
- die relativen Luftfeuchtigkeiten verursachen eine Untertrocknung und eine gegebenenfalls daraus resultierende Versprödung des Schurwollfasermaterials.