Kaputte Hosen durch zu rauen Korkboden?

Kaputte Hosen durch zu rauen Korkboden?

„Ständig kaputte Hosen an den Knien – was macht ihr?“ Solche und ähnliche Hilferufe verzweifelter Mütter füllen ganze Internetforen. Während die einen noch beschwichtigen und feststellen: „Unserem gesellschaftlichen Standing hat dies bisher keinen Abbruch getan“, stellen andere Theorien auf, warum die Hosen heute nicht mehr halten und regelmäßig die Kniepartien durchgescheuert sind. So auch eine besorgte Mutter, die bis vor das Landgericht zog, um feststellen zu lassen, ob womöglich ein neuer Korkboden Schuld an den löchrigen Hosen ist.

Korkboden mit „Keramiklack“

In diesem teilfiktiven Fall wurde ein Kork-Fertigparkett schwimmend unter anderem in einem Kinderzimmer verlegt. Bei dem Markenprodukt handelt es sich um Elemente mit Holzwerkstoffträger und zweischichtiger, 3 mm starker Korkauflage. Die Oberfläche ist nach Herstellerangaben fünffach mit einem „Keramiklack“ versiegelt. Der Einsatzbereich wird mit der Nutzungsklasse 23 „Wohnbereich“ und 31 „Objektbereich“ angegeben. Der Bodenbelag wurde nach eingehender Beratung in einem Fachmarkt gekauft und in Eigenregie verlegt.

Bereits ein halbes Jahr später bemängelte die Kundin, dass sich die auf dem Boden spielenden Kinder häufiger Hautabschürfungen zuzögen und deren Kleidung regelmäßig beschädigt werde. Nach ihrer Auskunft beträfe dies insbesondere Hosen, Strümpfe sowie Hausschuhe, sodass ihr hierdurch ein erhöhter Anschaffungsaufwand entstehen würde. Der Verkäufer lehnte jegliche Gewährleistung dazu ab und bezog sich hierbei unter anderem auf ein Schreiben des Herstellers. Dieser erklärte in Bezug auf die Schleifwirkung der Korkoberfläche, dass „bestimmte Parameter zusammenkommen müssten, um tatsächlich Wirkung auf Textilien zu zeigen, ein normales Begehen zeigt sicher keine Wirkung.“ Zudem verwies der Hersteller darauf, dass auch Nadelvliesböden oder andere Textilbeläge eine ähnlich abrasive Wirkung auf Textilien hätten, wie das eigene Lacksystem.

In der Folge setzte ein Rechtsbeistand der Kundin dem Verkäufer eine Frist zur Mängelbeseitigung. Dem entgegnete der Verkäufer mit einem Angebot, aus Kulanz den Korkboden im Kinderzimmer mit einem Teppichboden zu überdecken. Kosten sollten der Kundin dadurch nicht entstehen. Die Kundin ihrerseits forderte jedoch alle Korkböden – gut 90 qm – mit einem neuen Bodenbelag zu überdecken und zwei neue Türblätter einzubauen. Da der Verkäufer diese Forderung nicht erfüllen wollte, beschritt die Kundin den Klageweg. In dessen Verlauf gab das Gericht ein Gutachten zum Sachverhalt in Auftrag.

Kaputte Kinderhosen

Zum Ortstermin wurden etliche Kinderhosen mit zerschlissenen oder geflickten Knien vorgelegt, die allesamt durch das Spielen auf dem Korkboden beschädigt worden sein sollen. Eine einfache haptische Prüfung der Korkboden-Oberfläche – die insgesamt betrachtet kein auffälliges Erscheinungsbild zeigte – ergab keine Anhaltspunkte für eine erhöhte „abrasive“ Rauigkeit. Orientierend wurde ein sogenannter Münz-Test durchgeführt. Dieser Test, mit dem auch der Korkboden-Hersteller die Strapazierfähigkeit seines Bodens bewirbt, soll zeigen, dass die Oberfläche des Belags durch das Reiben mit einer Münze nicht beschädigt wird. Der Test ergab erwartungsgemäß angeschliffene Münzränder, aber keine Beeinträchtigung der Versiegelung.

Erst unter mikroskopischer Betrachtung war erkennbar, dass eine Lackschicht mit integrierten Keramikteilchen (Mineralien) vorliegt. Diese Teilchen in Nanopartikelgröße sind allerdings komplett mit einem Lackfilm überzogen und ragen nicht „scharfkantig“ aus der Versiegelung heraus.

Kreidetest

Zur besseren Veranschaulichung des Rauigkeitsgrades der Oberfläche wurde der beanstandete Korkboden in einem sogenannten Kreidetest mit einem Laminatboden verglichen. Bei dem Vergleichsmuster handelt es sich um einen millionenfach verkauften Laminatboden, der nach Herstellerangaben noch nie wegen seiner Rauigkeit bemängelt wurde. Beim Abstreifen der beiden Oberflächen mit normaler Schulkreide zeigte sich beim Laminatboden ein deutlich höherer Kreideabrieb als auf der Kork-Oberfläche. Zudem war der lackierte Korkboden deutlich leichter wieder von der Kreide zu reinigen. Die Kreidepartikel setzten sich in der raueren Oberfläche des Laminatbodens stärker fest als auf der glatten Lackschicht des verlegten Korkbodenbelages.

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1. Das Kinderzimmer
Beim Spielen auf diesem Korkboden sollen nicht nur die Hosen kaputtgegangen sein, sondern sich Kinder auch Abschürfungen geholt haben.

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2. Die Oberfläche
Die Oberfläche des Korkbodens zeigte im Münztest ihre hohe Strapazierfähigkeit. Unter dem Mikroskop war erkennbar, dass eine dicht geschlossene Lackschicht die Oberfläche bildet, ohne herausstehende Teilchen.

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3. Der Vergleichstest
Ein einfacher Kreidetest veranschaulicht die Rauigkeit: Der Korkboden zeigt im Gegensatz zu einem millionenfach verlegten und nie wegen einer zu hohen Rauigkeit bemängelten Laminatboden, dass er weniger rau ist. Auch beim Reiben mit der bloßen Hand auf der Kork-Oberfläche wurden keine Verletzungen erzeugt.

Welcher Kinderzimmerboden?

Weder in Normenschriften, Merkblättern oder Fachbüchern lässt sich eine verbindliche Aussage dazu finden, welcher Bodenbelag in einem Kinderzimmer zu verlegen ist. Auch aus der Sachverständigenpraxis und dem damit verbundenen Einblick in etliche Wohnungen und Einfamilienhäuser lässt sich keine Tendenz erkennen. Vorgefunden werden alle Bodenbelagsarten, egal, ob hart (Fliesen), elastisch (PVC) oder textil (Teppich) und natürlich immer wieder auch Kork. Der gesunde Menschenverstand lässt hier selbstverständlich „warm und weich“ sinnvoller erscheinen als „hart und kalt“. Auch eine erhöhte Rutschhemmung kann in einem Kinderzimmer ein Argument sein, darf aber nicht dazu führen, einen „rauen“ Belag zu empfehlen. Bewährt haben sich Kompromisslösungen, beispielsweise in der vollflächigen Verlegung eines Elementbodenbelags und dem Auslegen eines abgepassten (Spiel-)Teppichs. Die Frage im konkreten Fall muss also vielmehr lauten: „Welche Hosen halten länger?“

Fazit

Erwartungsgemäß kam auch die Zivilkammer des Landgerichts zum Schluss, dass der Korkbodenbelag keine erhöhte oder gar gefährdende Abrasivität aufweist. In der Verhandlung stellte der Richter im Selbstversuch fest, dass auch das mehrfache Reiben der vorgelegten Vergleichsstücke an der Handoberfläche keine Spuren auf der Haut erzeugte. Somit entkräftete er den Vorwurf der Kundin, beim Kauf falsch beraten worden zu sein, da ihr im Beratungsgespräch ebenfalls Handmuster zum Befühlen vorlagen. Auch der im Verlauf des Verfahrens vorgetragene Vorwurf, ein Kork-Belag sei grundsätzlich für die Nutzung im Kinderzimmer ungeeignet – es hätte ein nachgiebiger Boden empfohlen werden müssen – wurde durch den Richter verneint: „Bei dem streitgegenständlichen Bodenbelag handelt es sich, im Vergleich zu anderen für Wohnhäuser verwandte Materialien, um einen solchen von weicher Art und Güte. Das Gericht vermag dies aufgrund seiner bisherigen Lebenserfahrungen zu beurteilen.“