Die Toleranzen der DIN 18202 rechtfertigen keine Kellenschläge
Auch wenn wir mit diesem Beitrag ein gern genommenes Argument zur Rechtfertigung von Unzulänglichkeiten ins rechte Licht rücken, möchten wir doch dem Auftraggeber keine Steilvorlage liefern, dem Bodenleger die Rechnung zu kürzen. Uns geht es vielmehr darum, zwischen den Parteien und Argumenten zu vermitteln und immer wieder falsch interpretierte Normenaussagen zu korrigieren.
Stein des Anstoßes sind sogenannte Kellenschläge, Unregelmäßigkeiten in der Spachtelung, die sich in der Oberfläche des Bodenbelags störend abbilden. Vor allem in langen Fluren – beispielsweise in Verwaltungsgebäuden oder Krankenhäusern – verstärkt durch ungünstige Lichtverhältnisse und bei elastischen Bodenbelägen häufig auch durch eine glänzende Einpflege, treten sie in Erscheinung (Bilder 1 bis 3).
Sichelartige Streifen – als Abbild des bogenförmigen Auftrags der Spachtelmasse – zeichnen sich als feine Riffelstruktur, die häufig nur im Zehntel-Millimeterbereich liegt, in der Belagsoberfläche ab – auch in textilen Bodenbelägen (Bild 4).
Wenn bei der Abnahme die Sprache darauf kommt, wird schnell ein Satz aus der DIN 18365 „Bodenbelagsarbeiten“ zitiert: „Bei Streiflicht sichtbar werdende Unebenheiten in den Oberflächen von Bauteilen sind zulässig, wenn diese die Grenzwerte nach DIN 18202 nicht überschreiten.“ Mit Hinweis auf unzulässiges Gegenlicht, den falschen Betrachtungswinkel und eben die Einhaltung der genormten Toleranzen wird gegen einen drohenden Abzug argumentiert. Dünnes Eis, wenn man einem Fachmann gegenübersteht.
Der Estrich muss eben sein
Der Auftragnehmer für Bodenbelagsarbeiten prüft, insbesondere bei neuen Untergründen, den Estrich unter anderem auf seine Ebenheit. Dabei richtet er sich nach den Vorgaben der DIN 18202 „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“. In der darin enthaltenen Tabelle 3 „Grenzwerte für Ebenheitsabweichungen“ ist die Zeile 3 „Flächenfertige Böden, z. B. Estriche als Nutzestriche, Estriche zur Aufnahme von Bodenbelägen – Bodenbeläge, Fliesenbeläge, gespachtelte und geklebte Beläge“ maßgebend. Daraus geht unter anderem hervor, dass zwischen zwei einen Meter auseinanderliegenden Messpunkten eine Unebenheit (Wölbung oder Senke) von vier Millimetern zulässig ist.
Entsprechend der DIN 18365 „Bodenbelagsarbeiten“ unter Punkt 3.1.1 hat der Auftragnehmer bei seiner Prüfung Bedenken geltend zu machen, wenn unter anderem größere Unebenheiten festgestellt werden. Daraus ergibt sich, dass dem Bodenleger ein Untergrund vorgelegt werden muss, der nicht erst durch einen Auftrag von Spachtel- oder Ausgleichsmasse, den Anforderungen der DIN 18202 entspricht.
Im Regelfall hat der Auftragnehmer für Estricharbeiten in seiner Leistungsbeschreibung die genannten Grenzwerte für die Ebenheitsabweichungen vorgegeben bekommen und muss diese einhalten. Sind dennoch Abweichungen vorhanden, die der Bodenleger durch entsprechende Maßnahmen und mit einem neuen oder erweiterten Auftrag (!) egalisieren soll, gelten für die fertig gespachtelte Fläche ebenfalls wieder die Toleranzen der DIN 18202, Tabelle 3, Zeile 3.
Auch für „flächenfertige Böden“, also verlegte/geklebte Nutzböden, gelten die genannten Toleranzen der Tabelle 3, Zeile 3, es können jedoch auch „erhöhte Anforderungen“ nach Tabelle 3, Zeile 4 vereinbart werden. Wird die vertraglich geforderte Ebenheit nicht geliefert, besteht ein Mangel (Bilder 5 und 6).
Ebenheit ist selbstverständlich
An sich ist das Einhalten der Grenzwerte für Ebenheitsabweichungen sowohl für den Auftragnehmer für Estricharbeiten als auch für den Boden- und Parkettleger eine einfache Übung, die keine besondere Herausforderung darstellt. Seit rund zehn Jahren ist das Verarbeiten von handelsüblichen Spachtelmassen mit einem gezahnten Rakel und/oder das Nachbearbeiten mit einer Stachelwalze bekannt und gehört heute zum Stand der Technik und den anerkannten Regeln des Fachs.
Bereits im Jahr 2004 konnte in dem „Fachbuch für Bodenleger“, herausgegeben von Heinz Brehm für den Zentralverband Parkett- und Fußbodentechnik auf Seite 106 folgendes nachgelesen werden: „Die fertig angerührte Spachtelmasse wird mit der Spachtelkelle oder einer gezahnten Rakel aufgetragen. Bei hochglänzenden, elastischen Bodenbelägen, unter denen man im Gegenlicht jede Unebenheit sehen kann, zum Beispiel bei langen Fluren mit einem Fenster am Ende, sollte die Spachtelmasse immer mit einer Rakel aufgetragen und zusätzlich mit einer Stachelwalze zur Entlüftung abgerollt werden.“
Ob nun eine Spachtelmasse mit einer sogenannten Glättkelle verarbeitet und mit einer Stachelwalze nachgearbeitet, das heißt entlüftet, wird oder direkt ein Rakel für das Aufbringen der Spachtelmasse verwendet wird, bleibt dem Anwender überlassen. Es muss nur sichergestellt werden, dass die Oberflächen der gespachtelten Estriche beim Einsatz handelsüblicher Spachtelmassen ohne besonderen Aufwand „topfeben“ herzustellen sind (Bilder 7 und 8).
Was sagt die Norm?
Bei der Bewertung der Ebenheit nach DIN 18202 „Toleranzen im Hochbau – Bauwerke“ sind einige Grundsätze zu beachten:
- Toleranzen dienen zur Begrenzung der Abweichungen von den Nennmaßen.
- Die Einhaltung von Toleranzen ist erforderlich, um trotz unvermeidlicher Ungenauigkeiten beim Messen, bei der Fertigung und bei der Montage, die vorgesehene Funktion zu erfüllen
- Die in der Norm angegebenen Toleranzen sind anzuwenden, soweit nicht andere Genauigkeiten vereinbart werden. Sie stellen die im Rahmen üblicher Sorgfalt zu erreichende Genauigkeit dar.
- Notwendige Bezugspunkte sind vor der Bauausführung festzulegen.
Wichtig: Auch wenn die in der DIN 18202 geforderten Toleranzen eingehalten werden, können herstellerseitige Vorgaben bei der Verwendung bestimmter Bodenbeläge eine höhere Ebenheit verlangen.
Fazit
Kellenschläge innerhalb gespachtelter Estrichflächen, die in der Oberfläche von elastischen, aber auch in textilen Bodenbelägen sichtbar werden, sind auf Unzulänglichkeiten, letztlich handwerkliche Fehler, zurückzuführen. Diese sind auch nicht mit dem Hinweis auf Streiflicht oder andere Einflussfaktoren zu entschuldigen und fallen nicht unter die Toleranzen der DIN 18202.
Diese Norm ist nur für die Ebenheitsbeurteilung anzuwenden und nicht für die allgemeine Oberflächenbewertung beispielsweise bei Spachtel- oder Klebefehlern. Dennoch können gewisse Faktoren wie eine besondere Beschaffenheit des Bodenbelages, eine (hoch)glänzende Einpflege oder ungünstige Lichtverhältnisse, die Sichtbarkeit geringster Unebenheiten in der Belagsoberfläche begünstigen. Mit diesem Wissen sollten vor der Verlegung Grenzen der handwerklichen Ausführung und der technischen Möglichkeiten der eingesetzten Materialien mit dem Auftraggeber besprochen werden ebenso wie geplante Reinigungs- und Pflegemaßnahmen oder Beleuchtungssituationen.