Fugen in LVT-Belägen mit verhältnismäßigem Aufwand schließen
Auch für einen Sachverständigen gibt es zwischen Schwarz und Weiß immer auch Grau: Das Vermitteln zwischen den konträren Meinungen zweier Vertragspartner gehört heute zu jedem Gutachterauftrag. Lassen sich die Parteien darauf ein, steht die gütliche Einigung im Vordergrund und nicht die Schuldfrage. Was nützt es, wenn wegen ein paar unschöner Fugen in der LVT-Verlegung die ganze Arbeit neu gemacht werden muss? Der Verleger wird oft unverhältnismäßig hart getroffen, der Auftraggeber mit hohem Zeitverlust und doppeltem Schmutz gestraft.
Die Nachbesserung
Dabei gibt es häufig eine Lösung, die beide Seiten zufriedenstellt:
Die Nachbesserung.
Damit diese aber nicht nur kosmetischer Natur ist, sondern auch einen einwandfrei nutzbaren Bodenbelag zur Folge hat, muss die „Schadensbehebung“ fachgerecht sein. Oft ist dabei Kreativität gefragt, denn Lösungen von der Stange gibt es selten. Um Antworten auf die Fragen „Was kann man denn da machen“ zu haben, sind wir regelmäßig gefordert, Möglichkeiten zu erproben, die mit einem verhältnismäßigen Aufwand Unzulänglichkeiten der Verlegung neutralisieren.
Jüngstes Beispiel dafür ist das Schließen offener Fugen zwischen LVT-Fliesen und Planken (Luxury Vinyl Tiles). Kommt es beispielsweise durch verlegetechnische Ungenauigkeit oder dem einmaligen Schrumpfen des Belages zu Fugenbildungen, können diese bis zu einer gewissen Breite dauerhaft dicht geschlossen werden. Grundvoraussetzung ist die Kenntnis über die Ursache der Fugenbildung: Ein nicht dimensionsstabiler LVT-Belag kann durch Verfugen genauso wenig wieder einwandfrei hergestellt werden wie durch hohe thermische Einflüsse belastete Fliesen hinter bodentiefen Fensterfronten. Auch schwimmend verlegte oder nur fixierte LVT lassen sich nicht nachträglich verfugen.
Unsere Versuche haben gezeigt, dass die Verwendung von Schmelz- und Schweißdrähten nicht zum gewünschten Ergebnis führt, da die zum Fugenschluss notwendige Hitze Probleme verursacht. Eine Kaltverschweißung scheidet ebenfalls aus, weil sie nicht füllend, sondern nur verbindend ist. Als praktikabel erwies sich der Einsatz von 1- und 2-Komponenten-Dichtstoffen wie sie beispielsweise zum Verfugen von Hohlkehlsockeln angewendet werden. Diese technisch hochentwickelten Dichtstoffe sind heute nahezu in jeder Farbnuance „ab einer Kartusche“ erhältlich.
Wichtig: Die hier vorgestellte Anleitung ist immer eine Kompromisslösung und nicht dazu geeignet, regelmäßig Unzulänglichkeiten bei der LVT-Verlegung zu kaschieren. Zudem muss eine solche Nachbesserung mit dem Auftraggeber abgesprochen werden, was wiederum eine Probefläche unumgänglich macht.
LVT-Nähte verfugen
- Klärung der Ursache der vorhandenen Fugenbildung
- Überprüfen der maximalen Fugenbreite, die je nach Situation 3 bis 5 mm nicht überschreiten sollte.
- Objektgegebenheiten, wie Verlegeart, Belagsart, Kantengeometrie, Farbgebung beachten.
- Zur Überprüfung der technischen Umsetzbarkeit ist es sinnvoll, in der eigenen Werkstatt an Original-Rückstellware das Verfugen zu versuchen.
- Die Erfahrung hat gezeigt, dass das Verfugungsmaterial jeweils eine Nuance dunkler gewählt werden sollte als der dunkelste Farbton des Dekors des Bodenbelages.
- Ein positives Versuchs-Ergebnis kann dem Kunden vorgestellt und eine Probefläche im Objekt vereinbart werden.
- Reinigen (Auskratzen und Aussaugen) der Fugen (Bilder 1 und 2)
- Auftragen eines Trennmittels (Flüssig-Wachs) auf der Oberfläche des Bodenbelages links und rechts der Fuge, ohne dass dieses in die Fuge gelangt: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich.“ Wird das Wachs auf einem Baumwollstoffballen aufgetragen, kann der Ballen über die Fuge geführt werden, ohne dass Wachs in die Fuge eindringt (Bild 3).
- Einbringen des Fugenmaterials mit einer der Fugenbreite entsprechenden Kartuschenspitze. Darauf achten, dass der Dichtstoff die Fuge komplett ausfüllt. (Bilder 4 und 5)
- Mit einem Stuckateureisen oder, wie von uns verwendet, die Rückseiten von Drechslerwerkzeugen, das überschüssige Fugenmaterial „abstreichen“. Ziel ist es, dass der elastische Dichtstoff unterhalb des Niveaus der Oberfläche des Bodenbelages abgezogen wird und von dem Überschuss der Masse, die links und rechts auf der Oberfläche des Bodenbelages liegt, getrennt wird. (Bilder 6 bis 8)
- Nach Aushärtung/Durchtrocknung ist das überschüssige links und rechts der Fuge liegende Dichtstoffmaterial einfach abzuziehen. (Bilder 9 und 10)
- Nach Durchführung einer Grundreinigungsmaßnahme zum Entfernen des Trennmittels ist bei anschließender Pflege des Bodenbelages dieser uneingeschränkt nutzbar und aus Sachverständigensicht optisch ansprechend hergestellt. (Bilder 11 und 12)
Keine Fugentoleranz
Selbst wenn viel darüber diskutiert wird und immer wieder Grenzwerte genannt werden: Bodenbeläge – also auch LVT-Beläge – werden auf Stoß verlegt, die Fugen sind dicht geschlossen. Offene Stöße sind unzulässig.
Diese Selbstverständlichkeit hat bislang nicht einmal Einzug in die DIN 18365 gehalten. Im Standardwerk „Kommentar und Erläuterungen VOB DIN 18365 – Bodenbelagarbeiten“ (Kaulen/Strehle/Kille) heißt es unter Punkt 2.4 „Bodenbeläge aus Natur- und Synthesekautschuk“ lediglich: „Bodenbeläge müssen allgemein gültigen Erwartungen entsprechen.“
Diese Erwartung heißt „fugenlos“. Auch ein mit der fachlichen Seite des Bodenlegens nicht vertrauter Verbraucher, geht davon aus, dass Bahnen, Fliesen oder Planken dicht geschlossen verlegt werden.
Sogar die Tatsache, dass Bodenbeläge „nach Norm“ toleranzausschöpfende Maßänderungen innerhalb der definierten Dimensionsstabilität aufweisen dürfen, rechtfertigt keine Fugenbildung in der verlegten Fläche.