Linoleum nicht verfugen

Beim Verlegen von Linoleum kann in den meisten Anwendungsbereichen auf ein Verfugen der Nähte verzichtet werden. Das sieht nicht nur besser aus, sondern verringert auch die Gefahr, die Verlegearbeit zu ruinieren.

Der Nahtschluss einer Bahnenware – egal ob textil oder elastisch – kann herausfordernd sein, gerade wenn die Übung fehlt. Das Fatale daran: Ein unsauberes Nahtbild ist kaum nachzubessern und kann somit eine ganze Fläche gut verlegter Bodenbeläge zum Totalschaden machen. Was daraus folgt, verdeutlicht ein
teilfiktiver Fall, in dem über 80 m² Linoleum-Bahnenware in einem Wohnhaus verlegt worden sind und die Nahtausbildung Anlass zur Reklamation gab.

DAS IDEAL
Nur auf den zweiten Blick erkennt man mittig zwischen den Beinen den senkrechten Nahtverlauf von zwei unverfugt nebeneinander liegenden Linoleumbahnen. [Foto: Forbo Flooring]

Alles neu nur wegen unschöner Nähte?

Auch wenn in diesem Fall der Gesamteindruck der Arbeit eher als semiprofessionell zu bezeichnen war, hätte der Kunde mit der eigentlichen Bodenbelagsverlegung durchaus leben können. Den Todesstoß versetzte der Bodenleger seiner Arbeit jedoch mit der Ausführung der Nähte. Die Überprüfung zeigte, dass die Produktionskanten bei den verlegten Bahnen größtenteils nicht abgeschnitten wurden. Schon allein dadurch ist ein sauberes Nahtbild kaum möglich, da die werkseitigen Bahnenränder ungleichmäßig dick sein können. Sie sind grundsätzlich um 1,5 bis 2 cm zu beschneiden.

DAS EXTREM
Die gesamte Nahtausbildung lässt vermuten, dass der Bodenleger keine Erfahrung mit dem Verfugen von Linoleumnähten hatte.

Zudem wurde die Fräsung unsauber ausgeführt: Wiederholt variierte die Fugenbreite deutlich und es war zu erkennen, dass die Fugenfräse nicht sauber in der Naht geführt wurde, sondern „aus der Führung“ lief. Auch der Eintrag des Schmelzdrahtes wurde unfachmännisch vorgenommen. Teilweise fehlte die Flankenhaftung, was auf zu geringe Temperatur, zu hohe Verarbeitungsgeschwindigkeit oder eine zu breite Fräsung hindeutet. Letztlich wurde das Abstoßen des Schmelzdrahtes mit einem Viertelmondmesser unsachgemäß durchgeführt. Beim Abstoßen ohne Schmelzdrahtschlitten wurde häufig die Belagsoberfläche eingekerbt, zudem zeigten sich unsaubere Ansatzstellen.

Insgesamt war die Nahtausbildung in allen Bereichen technisch und optisch so schlecht ausgeführt, dass ein Nacharbeiten für den Kunden unzumutbar war und die gesamte Verlegung erneuert werden musste. Der Bodenleger musste für die Sanierung und Neuverlegung knapp EUR 9.000 Lehrgeld bezahlen.

DER TODESSTOSS
Letztlich zeigten sich im Nahtbereich so viele Beschädigungen von teilweise großem Ausmaß, dass ein Austausch der gesamten Linoleumfläche unumgänglich wurde.

Wieso überhaupt verfugen?

Auch wenn das saubere und fachgerechte Verfugen von Linoleumnähten für den geübten Bodenleger kein Hexenwerk ist, könnte man diesen Arbeitsschritt in den meisten Fällen einsparen – ein sauberer Nahtschluss ist bei verklebten Linoleumbahnen auch unverfugt möglich. Das Risiko, einen zumindest optisch unschönen Fehler zu machen, wird dadurch erheblich reduziert, der Gebrauchsnutzen aber im Regelfall nicht herabgesetzt.

Dass Linoleumnähte verfugt werden, hat seinen Ursprung mit Aufkommen der PVC-Böden um 1950. Um die Dimensionsänderungen der PVC-Beläge beherrschbar zu machen, verschweißte man die Bahnen kurzerhand zu einer geschlossenen Fläche. Dieser „Nachteil“ wurde mit dem Argument, dass verschweißte Nähte auch gefahrlos nassgereinigt werden können, in einen Vorteil umgedeutet, sodass das „Verschweißen“ dann auch in die Ausschreibungstexte für große Bauvorhaben Einzug hielt. Die Linoleum-Anbieter fühlten sich daraufhin genötigt, für ihren Belag auch einen Nachtschluss anzubieten, um als „gleichwertige“ Bodenbelagslösung in den Wettbewerb zum PVC zu treten. So entstand das Verfugen von Linoleum und der Glaube daran, dass Linoleum immer verfugt werden muss.

Der Unterschied der beiden Techniken: Während PVC Schweißdraht und PVC-Belag beim thermischen Verschweißen eine Materialverbindung eingehen, funktioniert das thermische Verfugen des Linoleums vergleichbar mit einem Schmelzklebstoff: Der Schmelzdraht verklebt mit den Fugenflanken des Linoleums.

Funktioniert das wirklich?

Werden Linoleumbahnen nach Herstellervorgaben verarbeitet, sind sie auch feuchtreinigungsfähig und verfügen über eine volle Objekteignung. Vorausgesetzt, die Nähte sind geschlossen, ohne dabei zu stauchen. Selbstverständlich muss auch die Reinigung fachgerecht ausgeführt werden, also stehendes Wasser vermieden werden.

Dass das funktioniert, beweisen nicht nur unzählige unverfugte Linoleumflächen in Großobjekten, sondern beispielsweis auch Millionen Quadratmeter LVT-Beläge, die ja grundsätzlich unverfugt verlegt werden und einen rund zehn Mal so hohen Fugenanteil pro Quadratmeter verlegter Fläche aufweisen wie eine zwei Meter breite Bahnenware. Linoleum unverfugt zu verlegen kann also häufig die bessere Variante sein.

Wissenswertes

Technische und optische Fehler im Nahtbild von verfugten oder verschweißten Bodenbelagsbahnen lassen sich eigentlich nur auf zwei Arten reparieren. Sind die Fehler eher klein, wurde vielleicht nur unsauber abgestoßen oder fehlt (partiell) die Flankenhaftung, kann man die Fuge erneut etwas breiter auffräsen als zuvor und anschließend einen breiteren Schweiß- oder Schmelzdraht einbringen.

Sind die Beschädigungen größer, ist also beispielsweise der Belag links und rechts der Naht eingekerbt oder die Fuge schief gefräst worden, kann man – die Zustimmung des Auftraggebers vorausgesetzt – einen breiteren Belagsstreifen im Fugenverlauf herausschneiden und durch einen neuen ersetzen, vorzugsweise dann aber unverfugt!

Fazit

Neben der Risikominimierung sprechen weitere Faktoren für das unverfugte Verlegen von Linoleum-Bahnenware. Die Schmelzdrahtfuge stellt immer eine erhöhte Schmutzanfälligkeit dar, da sie nicht über die schützende Oberflächenbeschichtung des Belags verfügt und sich dort Schmutzablagerungen durch unvermeidbare Unebenheiten bilden können, die das optische Erscheinungsbild unschön beeinflussen.

Lediglich in zwei Fällen ist das Verfugen von Linoleum unumgänglich: Wenn Hohlkehlsockel verarbeitet werden sollen oder wenn die örtlichen Gesundheitsämter die verfugte Verlegung in bestimmten Einsatzbereichen vorgeben. Das kann je nach Bundesland oder Kommune beispielsweise in (Zahn)arztpraxen der Fall sein. Ansonsten gilt: Wenn im Auftrag nichts anderes vereinbart wurde, können Linoleumbahnen auch unverfugt verlegt werden.