Rückschau

Neben seinem größten Hobby, Sachen auf den Grund zu gehen, entdeckt Richard A. Kille immer wieder neue Leidenschaften. Beispielsweise seinen Ford A, Baujahr 1930, den er hegt und pflegt.
Interview: Jens Lehmann

25 Jahre IFR

„Immer auf dem Boden bleiben“

 

Richard A. Kille feierte 2016 das 25-jährige Bestehen seines Sachverständigen-Instituts, das er 1991 in Köln gründete und heute gemeinsam mit seiner Ehefrau Petra C. Oberwalleney-Kille führt.

In einer umgebauten Doppelgarage fing alles an. Heute ist das Institut für Fußboden- und Raumausstattung, IFR, aus der Bodenbelagsbranche nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile steht ein fünfköpfiges Team für die IFR-Kompetenz und stellt sich immer wieder neuen Herausforderungen. Die RZ sprach mit dem Kopf des IFR und RZ-Boden-Profi Richard A. Kille über Vergangenes und über die Zukunft.

RZ: 25 Jahre Sachverständigentätigkeit klingt nach einer spannenden, aber auch anstrengenden Zeit. Wie kann man sich das Leben eines Gutachters vorstellen?

Richard A. Kille: Wenn man seinen Beruf gerne macht, empfindet man ihn nicht als anstrengend. Aber Sie haben natürlich Recht, in den 25 Jahren habe ich rund 50-mal die Erde umrundet, um zu all meinen Terminen zu kommen. Hierbei geht es nicht nur um klassische Gutachten für Gerichte, öffentliche und private Auftraggeber, sondern auch um Produkt-/Systemneu- und -weiterentwicklung oder um die Tätigkeit in Arbeits- und Fachausschüssen.

RZ: Das klingt nach Einzelkämpfer oder haben Sie Unterstützung?

Kille: Das, was wir hier leisten, funktioniert nur im Team. Jeder im IFR leistet seinen Beitrag, der uns über die Jahre geformt und perfektioniert hat. Voneinander und miteinander zu lernen und sich weiter entwickeln, ist unser Erfolgsgeheimnis.

RZ: Wenn man den „Boden-Profi“ liest oder Ihre Vorträge hört, könnte man den Eindruck gewinnen, dass wirklich viel falsch gemacht wird. Ist das so?

Kille: Nein, zum Glück nicht! Der weitaus größte Teil aller verlegten Bodenbeläge bleibt schadenfrei. Ich will mit meinen Vorträgen und Veröffentlichungen die Leute vor Schaden bewahren, sie für Gefahren sensibilisieren, das macht mehr Sinn als jemandem zu erklären, was er falsch gemacht hat.

RZ: Wenn man der Werbung Glauben schenken mag, werden Bodenbeläge und Verlegewerkstoffe immer anwenderfreundlicher, universeller und sicherer. Trifft das zu?

Kille: Nicht immer. Einerseits wird heute verstärkt die Anwenderfreundlichkeit, die leichte Verarbeitbarkeit von Verlegewerkstoffen, in den Vordergrund gestellt. Auch haben wir es zunehmend mit „sauberen Produkten“ zu tun: Eigenschaften wie „emissionsarm“ oder „umweltfreundlich“ stehen zunehmend im Vordergrund. Andererseits schreitet die Produktentwicklung immer schneller voran: Zeiten, in denen sich Verlegewerkstoffe oder Bodenbeläge bewähren können, fehlen. Und auch, dass der steigende Umsatz- und Preisdruck der Industrie durchaus Einfluss auf die Qualität haben kann, ist kein Geheimnis. Sicherheitspuffer einzelner Produkte, die das Handwerk früher sehr geschätzt hat, sind heute nicht mehr einzukalkulieren. In der Folge sind die normativ und in Merkblättern sowie Richtlinien festgelegten Einsatzzwecke und Bedingungen nahezu ohne Toleranz einzuhalten. Ansonsten funktionieren die Verlegewerkstoffe oder Bodenbeläge nicht so, wie es auf den Produktdatenblättern zugesichert ist.

RZ: Wenn Bodenbeläge immer einfacher zu verlegen sind, worin besteht dann noch die Kunst des Bodenlegers?

Kille: Der Bodenleger muss sich je nach Kundenkreis schon heute umstellen, sein Können liegt vielfach in der perfekten Untergrundvorbereitung und weniger in der Verlegung selbst. Er kann sich aber auch unentbehrlich machen, beispielsweise mit einem schnellen Belagswechsel, den der Laie nicht hinbekommt. Hier wird sich in Zukunft noch viel tun. Leistungen des Boden- und Parkettlegers und die dabei einzusetzenden Materialien werden zunehmend über soziale Netzwerke kommuniziert. Da dürfen wir nicht überrascht sein, wenn klassische Bodenbelagshersteller und Verlegewerkstoff-Lieferanten auf Dauer ohne einen Webshop zum Direktmarketing nicht mehr auskommen – diese Entwicklung schreitet voran. Genauso müssen wir als Raumausstatter, Maler oder Boden- und Parkettleger lernen querzudenken, um zu überlegen, wie wir die Möglichkeit haben, unsere Betriebe wirtschaftlich zu führen.

 

Respekt habe ich vor einer Raumausstatterin in Süddeutschland, die sich überlegt hat, Gebäudereiniger einzustellen, um im kleinen Rahmen für Stammkunden, die mitunter auch immer älter werden, Dienstleistungen wie Badezimmer-, Küchen-, Fenster-, Heizkörper- und somit auch Fußbodenreinigung anzubieten. Der Erfolg dieser Idee hat nicht auf sich warten lassen und manch erledigter Auftrag als Gebäudereiniger führte zu einem Zusatzauftrag, sei es eine Sonnenschutzanlage oder ein neuer Fußbodenbelag fürs Gästezimmer. Genau solch ein Umdenken muss im Handwerk stattfinden.

RZ: Welche Veränderungen sehen Sie noch auf die Branche zukommen?

Kille: Natürlich, und das bringt das Alter mit sich, hätte ich es gerne, wenn alles so bleibt wie es ist. Neubauten werden mit Bodenbelägen ausgestattet, im Sanierungsbereich wird gefräst, geschliffen, gespachtelt, egalisiert und Bodenbeläge vollflächig geklebt. Dass dies nicht so sein wird, dürfte jedem klar sein. Die Frage ist beispielsweise, wann Bodenbeläge nur noch in speziellen Einzelbereichen vollflächig geklebt werden oder ab wann der Fußboden zum mobilen Element wie ein Einrichtungsgegenstand wird.

RZ: Können Sie sich vorstellen, dass es wirklich noch ganz neue Bodenbeläge geben wird?

Kille: Ganz bestimmt: Manchmal denke ich, dass wir gar nicht mehr wirklich über Bodenbeläge und Bodenbelagsarten sprechen, sondern nur noch über Oberflächen. Insbesondere trifft dies für „Hartbeläge“ zu, wie diese umgangssprachlich bezeichnet werden, wenngleich es sich um Parkett, Laminat oder Kunststoffbeläge handelt. Hier wird noch viel passieren. Sicher sitzt im Augenblick schon irgendwo einer, der sich Gedanken über neue Produkte macht. Ich frage mich zum Beispiel wie es sein kann, dass Abdeckmaterial aus Milchtütenpapier (Tetra Pak), das auf Baustellen zum Schutz bereits eingebauter Bodenbeläge ausgelegt wird, so lange hält – auch bei hoher Beanspruchung. Da stellt sich mir die Frage, wann aus diesem Material ein neuer, recyclingfähiger, dekorativer, mobiler Bodenbelag auf den Markt kommt.

RZ: Sie haben schon oft Anstöße zu neuen Produkten gegeben – Woher nehmen Sie Ihre Kreativität?

Kille: Die Kreativität oder Visionen, wie mein Beispiel mit dem Milchtütenpapier, entstehen durch mein Querdenken der vergangenen 25 Jahre. Sich täglich mit Komplikationen, Konflikten und Schäden auseinanderzusetzen, kann auf Dauer durchaus frustrierend wirken. Das tut es aber nicht, weil bei der Ursachenforschung mitunter auch labortechnische Kreativität gefragt ist und zudem uns die Möglichkeit geboten wird, bei Neu- und Weiterentwicklungen mitzuwirken. So leisten wir uns auch mehrfach im Jahr die Zeit dafür, mit eigenen Händen schöne Fußböden herzustellen und die können dann tatsächlich auch aus Milchtütenpapier bestehen, das oberseitig mit einem leistungsfähigen Polyurethanlack zusätzlich versiegelt wurde. Auf diese Weise sammeln wir einerseits Erfahrungen zur Anwendungs- und Verlegetechnik und andererseits Erkenntnisse im Umgang sowie den Eigenschaften von Verlegewerkstoffen unterschiedlicher Art.

RZ: Was zeichnet Ihre bisherige Tätigkeit aus und mit welcher Maxime gehen Sie in die Zukunft?

Kille: Die Überlegung bei jedem Auftrag: „Hast du alles gegeben?“ oder „Hast du etwas übersehen?“ oder „Prüf doch noch mal quer?“, steht gewissenhaft im Vordergrund. Und hier liegt ein Automatismus, der bei mir dafür sorgt, „immer auf dem Boden zu bleiben“ und nicht zu vergessen, wo man herkommt – aus dem Handwerk.

RZ: Vielen Dank für das Gespräch.