Es gibt immer mal wieder Erscheinungsbilder, für die es auf den ersten Blick keine schlüssige Erklärung gibt. Erst bei genauer Prüfung und unter Beachtung bauphysikalischer Gegebenheiten lässt sich die Ursache feststellen, wie im teilfiktiven Fall einer Teppichboden-Beanstandung.
Teppich nicht gepflegt?
Gestört durch schwarze Verfärbungen im Übergang von Teppichboden und Kettelsockel, die sich nicht durch Staubsaugen entfernen ließen, sprach eine Mieterin ihren Vermieter auf das Problem an. Dieser vertrat den Standpunkt, dass die Mieterin den Teppich nicht ordnungsgemäß pflegen würde und lehnte die Verantwortung ab. Schließlich landete die Angelegenheit vor dem Amtsgericht, das zur Klärung des Sachverhaltes ein Gutachten beauftragte.
Bei dem Teppichboden handelt es sich um eine hellbeige Schlingenware, die im ausgebauten Dachgeschoss eines Einfamilienhauses verlegt worden war. Gemäß Angaben der Mieterin lag der Teppichboden bereits, als sie vor neun Jahren das Haus bezog. Gepflegt wird die Schlingenware durch regelmäßiges Staubsaugen. Eine spezielle Teppichboden-Grundreinigung in Form von Sprühextraktion oder Shampoonierung hat während des Zeitraums des Mietverhältnisses nicht stattgefunden. Wie die Mieterin mitteilte, hat sich die Schwarzverfärbung unterhalb der Kettelsockelleiste „in letzter Zeit“ so intensiviert, dass sie auch nach dem Absaugen störend sichtbar blieb.
Feststellungen
Das Dachgeschoss, das als Schlafraum genutzt wird, ist über eine Stiege erreichbar, die ebenfalls mit der beanstandeten Schlingenware belegt ist. Sowohl der Teppichboden auf den Treppenstufen als auch der in der Fläche zeigen keine auffälligen Schwarzverfärbungen und machen einen „gepflegten“ Eindruck. Die Schwarzverfärbungen zeichnen sich ausschließlich im Übergang zwischen Teppichbodenfläche und Kettelsockel ab, der entlang des Drempels – der Verbindung zwischen Boden und Dachschräge – als Sockelleiste verklebt wurde. Bei näherer Überprüfung wurde festgestellt, dass sich hinter dem Kettelsockel ein Spalt zwischen der Aufstandsfläche der Wand/des Drempels und des Fußbodens befindet. In Teilbereichen war es möglich, ein dünnes Maßstabslineal ohne Kraftaufwand in den Spalt zu stecken.
Ursache
Erfahrungsgemäß führen die unterschiedlichen Atmosphären innerhalb des Raumes und hinter der Abstellwand zu Luftströmungen durch den vorhandenen Spalt. Die in der Luft mitgeführten Staubpartikel werden von der Teppichbodenpolschicht im Eckbereich, dort wo der Teppichsockel auf die Oberfläche des Teppichbodens trifft, ausgefiltert. In der Folge zeigen sich im Laufe der Zeit zunehmend Anlagerungen von Aerosolschmutz, die dann als „Schwarzverfärbungen“ sichtbar werden. Dieser Sachverhalt wird fachbezogen auch als Kamineffekt bezeichnet.
Lösung
Ein Versuch, die Schwarzverfärbungen mit handelsüblichen Reinigungsmitteln zu entfernen oder abzuschwächen, zeigte Erfolg: Im ersten Schritt wurde mit einem nur mit destilliertem Wasser angefeuchteten Baumwolltuch der Bereich abgetupft, was bereits eine Besserung zeigte. Im zweiten Schritt kam ein milder Breitband-Fleckenlöser zum Einsatz, wie er vor allem für Orient- oder Handwebteppiche verwendet wird. Der Übergangsbereich zwischen Teppichbodenebene und Kettelsockel wurde besprüht und nach einer Einwirkzeit von rund fünf Minuten die befeuchtete Linie der Schwarzverfärbung mit einem abgerundeten Stuckateurspachtel abgeschabt. Mit dieser verhältnismäßig einfachen Maßnahme wurde festgestellt, dass die Möglichkeit besteht, die Aerosolschmutzanhaftungen weitestgehend zu entfernen.
Hinweis: Ohne die Ursache zu beseitigen, wird es allerdings immer wieder zu Schwarzverfärbungen kommen.
Der Streit
Sind Schwarzverfärbungen im Übergang zwischen Teppichboden zu Kettelsockel auf eine unzureichende Reinigung zurückzuführen?
Erscheinungsbild
Nur direkt im Eckbereich zeichnet sich eine schwarze Verfärbung der Schlingenware ab.
Ursache und Lösung
Durch einen Spalt unterhalb der Wand „transportiert“ ein Luftzug Schmutzpartikel, die im Pol haften bleiben. Das Entfernen der Schwarzverfärbungen ist weitestgehend möglich.
Reinigung
Damit sich der gereinigte Randbereich nicht heller von der Teppichbodenfläche absetzt, ist eine Komplettreinigung zu empfehlen.
Was sagt die Norm?
Nach unserem Kenntnisstand ist auch unter Beachtung der anerkannten Regeln des Fachs, insbesondere der VOB Teil C DIN 18365 „Bodenbelagarbeiten“, das Phänomen des Kamineffektes nicht geregelt, da dieser nicht grundsätzlich entsteht. Für den Bodenleger besteht daher auch keine Prüfungs- und Hinweispflicht bezüglich offener Fugen zwischen Bauwerksteilen, die sich gegebenenfalls durch Luftzirkulation negativ auf sein Gewerk auswirken können. Vor allem in Neubauten kann der Bodenleger erwarten, dass eine „luftdichte“ Abdichtung vorliegt und auch vor Hohlräumen keine Luftzirkulation entsteht.
Fazit
Die aufgetretene Schwarzverfärbung liegt nicht an der mangelnden Pflege des Teppichbodens, sondern ist im sogenannten Kamineffekt begründet: Also dem Luftaustausch der unterschiedlichen Atmosphären innerhalb des Raumes und hinter der Abstellwand. Verhindern lässt sich der Kamineffekt nur, wenn der Spalt unterhalb der Abstellwand des Drempels abgedichtet wird. Während bis Ende der 1990er-Jahre der Kamineffekt häufiger auftrat, ist er heute seltener ein Thema und wenn, dann hauptsächlich in Altbauten. Dies ist vor allem in der „dichten“ Bauweise begründet, die im Zuge der bewussten Energieeinsparung praktiziert wird. Im konkreten Fall ist parallel zum Entfernen der Schwarzverfärbungen auch eine fachgerechte Reinigung der gesamten Teppichbodenfläche ratsam. Ansonsten zeichnet sich der gereinigte Randbereich optisch heller von der Flächenware ab.