In verblüffender Regelmäßigkeit beschäftigen Geruchsreklamationen das IFR Köln, sodass wir das Thema hier erneut aufgreifen. Der Auslöser liegt aber auch in der Bekanntgabe des Umweltbundesamtes (UBA), Geruchsprüfungen in den Vergabegrundlagen des Blauen Engels für Teppichböden aufzunehmen. Bereits seit Februar 2016 müssen textile Bodenbeläge zur Erlangung des Siegels „Blauer Engel“ (RAL-UZ 128 „Emissionsarme textile Bodenbeläge“) eine Geruchsprüfung bestehen. Grundlage für die Beurteilung ist das Messverfahren nach DIN ISO 16000-28 „Innenraumluftverunreinigungen: Bestimmung der Geruchsemissionen aus Bauprodukten mit einer Emissionsprüfkammer“. Besonderheit: Für die jährlichen Folgeprüfungen ist die Geruchsprüfung in Anlehnung an die Schweizer Norm SNV 195651 „Textilien; Bestimmung der Geruchsentwicklung von Ausrüstungen (Sinnenprüfung)“ ausreichend. Produkte, die das GUT-Siegel der Gemeinschaft umweltfreundlicher Teppichboden tragen, müssen keinen gesonderten Folgeprüfungen mehr unterzogen werden.
Textile Bodenbeläge sind die erste Produktgruppe, bei der „Geruch“ als Vergabekriterium des Blauen Engels verbindlich aufgenommen wurde. Es ist davon auszugehen, dass das UBA auch für andere Bodenbelagsarten sowie für Verlegewerkstoffe die Anforderungen des Blauen Engels um Geruchsprüfungen erweitern wird. Wir sehen dies kritisch, da sich Gerüche nach wie vor nicht eindeutig bestimmen lassen: Menschen reagieren auf Geruchswahrnehmung unterschiedlich, unabhängig davon, ob die Geruchsbildung durch schädliche oder unschädliche Gase hervorgerufen wird – wie der folgende teilfiktive Fall verdeutlicht.
Störende Gerüche im Büro
In einem Verwaltungsgebäude wurde 2008 rund 1.500 m² Nadelvlies auf Hohlraumböden verlegt. Einige Zeit nach Nutzungsaufnahme beanstandeten Mitarbeiter Geruchsbelästigungen innerhalb der Büroräume. In der Folge wurden Raumluftmessungen in Bezug auf flüchtige organische Verbindungen (VOC) sowie Aldehyde und Ketone durchgeführt, die allerdings keine eindeutige Ursache zur Entstehung von Geruchsauffälligkeiten ergaben. Da auch über Jahre der Nutzung wiederkehrende Geruchsbelästigungen bemängelt wurden, sollte 2016 der Ursache erneut auf den Grund gegangen werden. Die Aufgabe des IFR Köln war es, festzustellen, ob beanstandungswürdige Geruchsbildungen innerhalb der Räume vorliegen und wenn ja, ob diese auf die Fußbodenkonstruktion zurückzuführen sind. Zur Begutachtung wählten die Nutzer mehrere Büroräume aus, die über 60 Stunden unbelüftet verschlossen waren.
Zum Zeitpunkt der Begehung herrschte ein Raumklima von im Mittel 21,5 °C und 40 % relativer Luftfeuchte. Überwiegend konnte in den Räumen ein typischer Geruch nicht gelüfteter Büroräume festgestellt werden, der in der Intensität auch von anwesenden Vertretern des Nutzers als „normal“ bezeichnet wurde.
In einem Raum wurde übereinstimmend eine dominierende „lebkuchengewürz-ähnliche“ Geruchsnote festgestellt. Diese konnte einer Verpackungseinheit Teebeutel „Yogi-Tee Classic ayurvedische Gewürzteemischung“ zugewiesen werden, die offen auf einem Schreibtisch stand. Bemerkenswert war auch eine Geruchsnote in einem Raum, die die Anwesenden an „kosmetische Düfte“ oder „Alkohol“ erinnerte. Schließlich konnte als Quelle Permanentmarker auf Flip-Chart-Blättern ausgemacht werden. An „frischen Beton“ oder „Mineralfaserplatten“ erinnerte der Geruch in einem anderen Raum, der bereits über vier Monate ungenutzt war. Zur Ursachenforschung wurde eine Revisionsplatte des Hohlraumbodens aufgenommen und der Nadelvliesbelag von der Oberseite abgeschält. Andere als die beschriebenen Geruchswahrnehmungen waren auch nach der Öffnung und Ablösung nicht feststellbar. Die abgeschälten Nadelvlies-Bodenbelagsstücke wurden vor Ort in Aluminiumfolie luftdicht verpackt und später im technischen Labor des IFR Köln sowie im TFI Aachen einer Geruchsprüfung unterzogen. Beide Prüfungen ergaben keine Auffälligkeiten, der Geruch wurde als „akzeptabel“ bewertet.
1. Geruchsbeschwerden im Büro
In einem Verwaltungsgebäude klagten Mitarbeiter über Geruchsbelästigungen in unterschiedlicher Intensität
2. Die Räume
Zur Begutachtung wurden die Räume 60 Stunden nicht belüftet
3. Der Belag
Verlegt wurde ein emissionsgeprüfter Objekt-Nadelvlies
4. Der Untergrund
Der eingebaute Hohlraumboden besteht aus Calciumsulfat-Fließestrich sowie aus Zementfließestrich
5. Die Ursache
Die Normenprüfung des Bodenbelags zeigte keine auffälligen Gerüche. In einzelnen Räumen dominierten die Düfte aus offenen Teepackungen oder Permanentmarkern die Geruchswahrnehmung in der Raumluft
Das sagt die Norm
Geruchsprüfungen wurden bis heute unter anderem nach der SNV 195 651 „Textilien; Bestimmung der Geruchsentwicklung von Ausrüstungen (Sinnenprüfung)“, Ausgabe 1968, oder der Richtlinie VDI 3881 „Olfaktometrie Geruchsschwellenbestimmung“, Blatt 1 bis Blatt 3, Ausgabe 1998, durchgeführt.
Aktuell versucht vor allem das UBA die DIN ISO 16000-28 „Innenraumluftverunreinigungen: Bestimmung der Geruchsemissionen aus Bauprodukten mit einer Emissionsprüfkammer“, Ausgabe 2012, zu etablieren.
Das Fraunhofer-Institut für Holzforschung im Wilhelm-Klauditz-Institut WKI, Braunschweig, hat diese Norm auf deren Praxiseignung überprüft und die Ergebnisse im Bericht „Evaluierung einer Methode zur sensorischen Bewertung von Bauprodukten für Innenraumanwendungen unter Praxisbedingungen“ im März 2016 veröffentlicht (Download: www.wki.fraunhofer.de).
Fazit
Der Fall verdeutlicht, dass die Geruchswahrnehmung subjektiv ist. Gerüche können unterschiedliche Ursachen haben, die nicht zwangsläufig in den eingesetzten Bauprodukten zu finden sind. Mit Blick auf die durch das UBA vorangetriebene Verpflichtung von Geruchsprüfungen – wie beim Blauen Engel – muss angemerkt werden, dass wissenschaftliche Studien die Prüfparameter der DIN ISO 16000-28 in Frage stellen. So kommt das Fraunhofer-Institut für Holzforschung in einem Forschungsvorhaben (siehe oben) zu einem vernichtenden Urteil: „Aus derzeitiger Sicht ist die Bestimmung der empfundenen Intensität mittels Vergleichsmaßstab gemäß DIN ISO 16000-28 eine nicht ausreichend valide Bewertungsmethode für die Bewertung von Geruchsemissionen von Bauprodukten. Eine Überarbeitung der Norm wird dringend empfohlen, um robustere und vergleichbare Ergebnisse zu erzeugen.“ Solange diese Situation besteht, können Geruchseigenschaften von Bauprodukten vertraglich nicht zugesichert werden.