Treppeneignung sagt nicht alles

Besondere Anforderungen an Teppichböden auf Treppen

Nicht alle textilen Bodenbeläge sind geeignet, um auf Treppenstufen verlegt zu werden, sondern müssen spezielle Eigenschaften aufweisen. Diese so genannte Zusatzeigenschaft „Treppe“ wird mit dem Tretrad-Test nach prEN 19 63 geprüft und nach Anhang A bewertet. Es handelt sich hierbei um eine Verschleißprüfung. In der Prüfpraxis wird eine Teppichprobe auf einen Gerätetisch gespannt, der einer Treppenstufe nachgebildet ist. Das „Tretrad“ simuliert die Beanspruchung des Teppichbodens durch Begehen an der Treppenkante. Nach der Prüfung wird anhand der optischen Veränderung des Teppichs die Eignung beurteilt. Qualitäten, die den Simulationstest bestanden haben, werden beispielsweise durch das „Treppensymbol“ des ETG-Teppichsiegels gekennzeichnet und können in gewerblich genutzten Bereichen eingesetzt werden. Der Zusatz „wohnen“ schränkt die Treppeneignung für privat genutzte Bereiche ein.

Sollen Treppenstufen mit Teppichboden belegt werden, muss dieser als Mindestanforderung die „Treppeneignung“ aufweisen. Darüber hinaus werden an die Beschaffenheit der Treppe Anforderungen gestellt, beispielsweise eine gerundete Vorderkante mit einem Radius von mindestens zehn Millimetern (siehe Spalte rechts). In der Praxis kann es aber dennoch vorkommen, dass ein an sich normativ geeigneter Teppichboden für die Verlegung auf bestimmten Treppenstufen ungeeignet ist.

Der Fall

In einem Einfamilienhaus wurde eine im Wohnbereich liegende Treppe mit Teppichboden ausgestattet. Zum Einsatz kam eine flache Webware mit Treppeneignung. Insgesamt vierzehn Tritt- und Setzstufen des Treppenaufganges wurden komplett mit Teppichboden bekleidet (Bild 1 und 2).

Bild 1
Bild 1
Bild 2
Bild 2

 

Vom Obergeschoss aus kommend, sind die vorderen Trittkanten der Stufen gerade. Vom Erdgeschoss aus betrachtet, weisen die ersten fünf bis sechs Stufen in unterschiedlichen Radien „geschwungene“ Trittkanten auf (Bild 3).

Die unterste Trittstufe (vom Erdgeschoss aus kommend) zeigt an der gerundeten Vorderkante neben Verbeulungen – die vor allem bei Schräglichteinwirkung sichtbar werden – Einschnitte. Diese resultieren daraus, dass die „flächenstabile/steife“, flachgewebte Teppichbodenkonstruktion keilförmig ein-/ausgeschnitten werden musste, um den Teppichboden um die Trittkante herum zur Setzstufe zu führen (Bild 4).

Bild 3
Bild 3
Bild 4
Bild 4

 

Auch an den fünf weiteren gerundeten Stufen liegt der Teppichboden an den Trittkanten nicht glatt, sondern verbeult vor.

Im Übergang der Trittfläche der ersten Stufe zur Setzstufe der zweiten Stufe zeigte sich an der linken Seite (im Erdgeschoss vor der Treppe stehend betrachtet) eine Flickstelle. Hier wurde die Teppichbodenfläche der Setzstufe keilförmig eingeflickt (Bild 5).

Die Überprüfung der anderen Tritt- und Setzstufen zeigte wiederkehrend kleine Fehlschnitte, ausgefranste Schnittkanten des Teppichbodens (Bild 6) und Verbeulungen an der Vorderkante der Trittstufen.

Bild 5
Bild 5
Bild 6
Bild 6


Weiterhin lag der Teppichboden an der Treppenwange einerseits bündig angeschnitten vor und andererseits mit deutlicher Fugenbildung und ausgefransten Schnittkanten (Bild 7).


 
Bild 7
Bild 7


Bei gebrauchsüblicher Betrachtung der Stufen zeigt sich, dass die webtechnische Musterung des Teppichbodens unterschiedlich schräg über die Trittkanten gelegt wurde. Dadurch entsteht ein optisch ungleichmäßiges Bild, das insbesondere durch die nicht rechtwinklig zur Trittkante verlaufende Musterung unschön betont wird (Bild 8 und 9).


 
Bild 8
Bild 8

Bild 9
Bild 9

 

Beurteilung

Insgesamt betrachtet macht die Verlegearbeit einen „semiprofessionellen“ Eindruck. Ausfransungen an den Schnittkanten, Fehlstellen und Fugenbildungen sind eindeutig handwerkliche Fehlleistungen. Die insbesondere bei Schräglichteinwirkung sichtbaren dellenartigen Verformungen der geschwungenen Trittkanten sind auf nicht fachgerecht ausgeführte „Ausgleichsschnitte“ zurückzuführen. Diese Schnitte, die zur Entspannung der Ware dienen, um sie um die Trittkante herumzuführen, werden zum Teil keilförmig ausgeführt. Der so eingeschnittene Teppichboden hätte flächenbündig auf der Trittkante verklebt werden müssen.

Die Verlegerichtung des Teppichbodens unter Beachtung der Musterung ist von Stufe zu Stufe uneinheitlich und entspricht nicht den Regeln des Fachs.

Teppichboden auf Treppen

In den Erläuterungen zur DIN 18 365 „Bodenbelagsarbeiten“ heißt es unter anderem:

  • Bei der Verlegung von Velours-Teppichböden auf Treppen, gleich ob geklebt oder verspannt; wo der Teppich über die Treppenkante gezogen werden soll, sollte jedoch die Florneigung (Strichrichtung) treppenabwärts verlaufen. Dadurch wird die Haltbarkeit des Teppichs verlängert.
  • Bei den Kanten der Treppenstufen ist der Radius gemäß DIN 66 095, Teil 4 (aktueller Stand: prEN 19 63) zu beachten, der hierfür zehn Millimeter vorsieht.
  • Manche Velours wirken durch Aufklaffen rippig, wodurch ein schneller Verschleiß an der Kante entstehen kann.
  • Beim Zuschnitt eines Schlingenteppichbodens auf Treppen ist darauf zu achten, dass die Florgasse grundsätzlich senkrecht zur Treppenkante verläuft.
  • Auch bei Schlingenqualitäten ist auf eine einheitliche Strichrichtung zu achten.
  • Grundsätzlich ist jede Treppe, ob in einem Treppenhaus oder frei stehend in einem Raum oder einer Halle, ein eigenständiges Bauteil und somit eine eigenständige Leistung. Eine übereinstimmende Florrichtung kann nicht gefordert werden. Daher sind daraus entstehende Farbabweichungen warentypische Eigenschaften, die zu akzeptieren sind.
Fazit

Bei einer Teppichbodenkonstruktion dieser und ähnlicher Art (Flachgewebe) besteht die Notwendigkeit des exakt passgenauen Anschnitts im Bereich der Stoßkanten, die dann mit einem so genannten Nahtkantenverfestiger zusätzlich „verleimt“ werden, damit Ausfransungen nicht entstehen.

Bei der Teppichbodenkonstruktion handelt es sich um einen flachgewebten Teppich, der flächenstabil und im Hinblick auf die Flexibilität als „störrisch und steif“ zu bezeichnen ist. Die vorliegende Konstruktionsart kann nicht über eine horizontal und vertikal gerundete Stufe gezogen werden, ohne sichtbare, optische Beeinträchtigungen durch Einschnitte zu hinterlassen. Der eingesetzte Teppichboden ist trotz normativ zugesicherter Treppeneignung für die vorgesehene Verwendung ungeeignet. Was nicht bedeutet, dass die gleiche Ware auf einer anders konstruierten Treppe nicht fachgerecht verlegt werden kann.

Letztlich muss auch die uneinheitliche Ausrichtung der Musterung als nicht fachgerecht bezeichnet werden: Entsprechend den unter anderem in den Erläuterungen zur DIN 18 365 „Bodenbelagsarbeiten“ und verschiedenen Fachbüchern publizierten Regeln des Fachs, werden Musterungen immer parallel zur Stufenvorderkante ausgerichtet. Bei gewebten oder getufteten Teppichböden muss die Polnoppengasse immer rechtwinklig zur Trittkante verlaufen. Darüber hinaus erleichtert diese „Ausrichtung“ des Teppichs auch das Herumführen der Ware um die Treppenkante.

Zur Beseitigung der festgestellten Erscheinungsbilder ist es erforderlich, den Teppichboden komplett zu entfernen. Eine Nachbesserung ist nicht möglich. Für die Neuverlegung muss eine für die Art und Weise der vorhandenen Treppenstufen geeignet Teppichbodenqualität ausgewählt werden.