Verspanntechniken
Das Verspannen gilt als besonders materialgerechte und umweltschonende Verlegemethode für Teppichböden, weil hier ohne Fixierungen und Kleber gearbeitet wird. Welche Vorteile diese Technik gleichermaßen für Anwender und Kunden bietet, darüber berichten wir innerhalb einer Seminarreportage. Dabei geht es auch um spezielle Werkzeuge, Geräte und Hilfsstoffe für das Verspannen.
Materialgerechte Verlegemethode
Bereits die „Mischung“ der angemeldeten Interessenten verspricht einen differenzierten Meinungsaustausch: 14 Inhaber und Mitarbeiter von Malerbetrieben nehmen am Spezial-Seminar „Verspanntechniken“ in der Osnabrücker Brillux Niederlassung teil.
Allen ist gemeinsam, daß sie die professionelle Verlegung von Teppichböden längst als Chance zur Profilierung ihres Unternehmens erkannt und deshalb konsequent in ihre betriebliche Leistungspalette aufgenommen haben – als Klein-, Mittel- oder Großbetrieb. Beim Kennenlernen im Plenum wird zunächst erörtert, was heute unter dem „Stand der Technik“ zu verstehen sei. Nachdem man sich allgemein von der losen Verlegung oder dem Einsatz von doppelseitigen Klebebändern verabschiedet habe, gilt die Fixierung von Teppichböden heute als „Minimum“. Daß dies allerdings nicht so ganz unproblematisch ist, schildert der Referent Richard A. Kille aus eigener Erfahrung als Berufssachverständiger: „Die Übergänge von einer Fixierung zu einer vollflächigen Verklebung sind mitunter fließend – deutlich zu Erkennen beim Entfernen von alten Bodenbelägen. Selbst bei fixierten Teppichböden ist oft der Einsatz von Strippern oder chemischen Mitteln erforderlich, um den Schaumrücken wirklich rückstandsfrei zu beseitigen. Beschädigungen des Unterbodens sind dabei nicht immer auszuschließen“.
Als hochwertige und komfortable, zugleich aber ‚umweltfreundliche‘ Methode etabliert sich das Verspannen von textilen Bodenbelägen deshalb auch in Deutschland immer mehr. Nach wie vor wird dieses Verfahren als die materialgerechteste Verlegemethode bezeichnet, bei der die Eigenschaft der Elastizität von textilen Bodenbelägen ausgenutzt wird, indem man den Teppich unter Spannung auf allen Seiten in Nagelleisten einhängt. Der Anteil der verspannten, textilen Bodenbeläge liegt bei ca. 1 %.
Die Bahnen von Teppichböden müssen immer in der gleichen Florrichtung verlegt werden – also mit Florrichtung zur Hauptlichtquelle (z.B. Fensterfront) und niemals gestürzt: Die Florrichtung läßt sich einfach mit der ‚Hammer‘- oder ‚Geldschein‘-Methode ermitteln.
Montage der Nagelleisten
Wir erfahren, daß sich zum Spannen vorwiegend gewebte Teppiche eignen – also keine Chance für billige Schaumrücken mit nur geringer Festigkeit. Getuftete Qualitäten müssen einen hochwertigen Rücken aufweisen, z. B. einen textilen Zweitrücken. Die Reihenfolge der Arbeitsschritte lernen wir in ‚Zeitlupe‘ an einer liegenden Rahmenkonstruktion im Schulungsraum kennen. In verkleinertem Maßstab können hier alle Einflußfaktoren simuliert werden, wie sie auch am Objekt auftreten. Vor dem Verspannen müssen die Nagelleisten den Wänden und allen Nischen folgend jeweils mit einem Abstand von 2/3 der Teppichstärke befestigt werden. Dabei besteht die Standardnagelleiste aus wasserbeständigem, mehrschichtigem Sperrholz von 23 mm Breite und 6 mm Dicke. Im Abstand von etwa 10 mm sind zwei Reihen verzinkter Nägel in einer Winkelstellung von ca. 60 Grad versetzt eingeschlagen. Die Standardlänge der Nagelleisten ist 152,4 cm bei einer Nagelhöhe von 4 bzw. 6 mm. Für sehr dicke textile Bodenbeläge gibt es zudem Nagelhöhen von 8 mm.
Nun zur eigentlichen Anbringung: Die Montage der Nagelleisten richtet sich nach der Art des Unterbodens und erfolgt durch Nageln, Dübeln oder Kleben. Auch eine Kombination von Kleben und Nageln ist sinnvoll. Zu diesem Zweck sind im Handel Standardnagelleisten erhältlich, die einerseits mit Schraubnägeln (für Holzböden) vorgenagelt sind und andererseits Stahlnägel (für Estrichuntergründe) besitzen. Das Kleben der Leisten kann mit Kontaktklebern, Dispersionsklebern oder 2K-Kunstharzklebstoffen erfolgen. Vor dem Befestigen schneidet man Leisten, die verklebt werden sollen, in 12-15 cm lange Teilstücke. Dadurch werden Spannungen vermieden, die durch Unebenheiten auftreten können.
Warum verspannen?
Im Dialog mit den Teilnehmern spielte Richard A. Kille durch, wie das Thema ‚Verspannen‘ gegenüber Kunden positiv darzustellen sei. Grundsätzlich gilt, daß das Verspannen eine besonders hochwertige Technik der Teppichboden- befestigung ist.
Seitdem Teppichböden mit Schaumrücken stark rückläufig sind – nicht zuletzt wegen der Entsorgungsproblematik der Schaummaterialien -, rückt das Verspannen unweigerlich in den Blickpunkt des Interesses. In England und den Vereinigten Staaten hat diese Verlegemethode übrigens seit langem viele Anhänger – vielleicht gerade deshalb, weil bei einem Wohnungswechsel die Teppichböden ohne Beeinträchtigung auf- und mitzunehmen sind.
Beim Kundengespräch kann der beratende Malermeister folgende Vorteile einbringen:
- Nutzböden werden nicht durch Klebstoffe beeinträchtigt
- längere Lebensdauer des Teppichbodens bei geringerer Gefahr der Laufstraßenbildung
- verbesserte Tritt- und Wärmedämmung
- hoher Gehkomfort durch Luftpolster
- insgesamt höhere Reinigungsfähigkeit durch Saugen, Shampoonieren, Sprühextraktion; bessere Saugfähigkeit durch den Staubsauger
- Verwendung von Materialien aus Naturprodukten (Teppichböden und Unterlagen sowie Hilfsstoffe)
- kostensparendes Auswechseln im Rahmen der Neuverlegung: keine erneute Vorbehandlung des Unterbodens wie z. B. Entfernen von Klebstoffrückständen, Grundieren, Spachteln, Schleifen und Kleben
Bei allen Vorzügen gibt es eine Einschränkung: Auf Böden mit Fußbodenheizung ist vom Verspannen abzuraten. Neben der möglichen Beschädigung der Heizelemente beim Anbringen der Nagelleisten kann die Temperierung des Bodens möglicherweise zu einem Verziehen der verspannten Teppichware führen.
Elastische Unterlage
Nächster Arbeitsschritt: Vor dem Auslegen des Teppichbodens ist eine spezielle elastische Unterlage zu verlegen- ein sogenanntes ‚Spannfilz‘, das in der Stärke von 5-6 mm den Höhenausgleich zu den Nagelleisten bildet. Hier kann der Malermeister seinem Auftraggeber verschiedene Varianten anbieten.
Die Unterlagmaterialien sind als Filz/Vlies aus Natur- und/oder Synthetikfasern lieferbar, wobei sich auch geschäumte elastische Unterlagen bewährt haben. Je nach Beschaffenheit des Untergrunds wird die jeweilige Unterlage im Naht-/Stoßbereich sowie zu den Nagelleisten angrenzend punktartig geklebt oder geheftet. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der besondere Tip von Richard A. Kille: Je nach Unterlage kann es erforderlich sein, daß diese mittels Kniespanner ‚vorgespannt‘ wird.
Feste Verbindung
Soweit der Hersteller des jeweiligen Bodenbelags keine andere Vorgabe bezüglich der Be- und Verarbeitung der Nahtkanten gegeben hat, sind Nahtkanten grundsätzlich sach- und fachgerecht zu schneiden. Die VOB, Teil C, DIN 18 365 ‚Bodenbelagarbeiten‘ ist hier eindeutig in ihren Aussagen, wobei in besonderer Weise auf die dazugehörigen Erläuterungen hingewiesen wird. Hier heißt es: „Wenn textile Bodenbeläge verspannt werden sollen, so muß dies in der Leistungsbeschreibung ausdrücklich vorgeschrieben sein.
Das Auslegen der Unterlagen für die Verspannung von textilen Bodenbelägen richtet sich, wie auch die fachgerechte Verspannung selbst, grundsätzlich nach den Richtlinien der Herstellerwerke. Die entsprechenden Teppichunterlagen sollen innerhalb der Nahtkantenbereiche und im Bereich vor den Nagelleisten geklebt oder bei Holzböden mit dem Hefthammer geheftet sein, um ein späteres Verziehen der Unterlage zu vermeiden.“
Wenn zur Spannverlegung in einem Raum mehrere Bahnen benötigt werden, ist vorher eine feste Verbindung der Nähte durch Konfektionierung vorzunehmen. Das Zusammenfügen der Teppichbodenbahnen kann in Abhängigkeit von der Konstruktionsart durch Zusammennähen, Kleben mit einem Vliesband und, nach der häufigsten Methode, mit einem schmelzklebstoffbeschichteten Konfektionsband erfolgen.
Hierbei haben sich zwei Vorgehensweisen bewährt, die wir nun in der Anwendung kennenlernen:
1. Der Einsatz des Bügeleisens
Vorwiegend wird mit Schmelzkleber-Konfektionierband gearbeitet. Das Konfektionieren erfolgt nach dem exakten Zuschneiden der Teppichbahnen, wobei auch ein eventuell vorhandener Musterrapport zu berücksichtigen ist. Und ganz wichtig dabei: Das Heizbügeleisen ist auf die für den Teppich geeignete Temperaturstufe einzustellen, damit das Trägergewebe nicht beschädigt wird (Richtwert: mittlere Einstellung des Temperaturreglers bei einer Arbeitsgeschwindigkeit von ca. 1 m/min).
2. Das computergesteuerte Konfektionssystem
Bei diesem Verfahren setzt man ein spezielles schmelzstoffbeschichtetes Konfektionsband ein, das an der Rückseite mit einer Aluminiumkaschierung versehen ist. In Verbindung mit dem computergesteuerten Konfektionssystem wird das Band auf der benötigten Länge über der Aluminiumkaschierung erhitzt, bis der Klebstoff seinen Schmelzpunkt erreicht. Dieses Verfahren hat sich vor allem im Objektbereich bewährt, wenn lange Nähte herzustellen sind – beispielsweise Nähte in Teilstücken von bis zu 20 m, die damit zügig und absolut genau konfektioniert werden können. Nach dem Auskühlen der konfektionierten Nähte – ca. 20-30 Minuten später – kann mit dem eigentlichen Verspannen begonnen werden.
Die Arbeitsschritte
Spannen und Einhängen
Das Spannen der Teppichfläche besteht dann eigentlich nur noch im Aufhaken auf die Nagelleiste. Wie wir im Team merken, ist es schließlich dieses ’nur‘, das schließlich die Qualität der Verlegearbeit maßgeblich bestimmt. Beim Einhängen und Spannen des Teppichbodens auf die Nagelleisten geht es nicht ohne Kniespanner: Mit den Zähnen des Spannkopfes – ihre Länge ist für jede Teppichart variabel einstellbar – greift dieses Gerät von oben in den Teppich. Durch gezielte Kniestöße gegen das Stoßpolster wird der Teppich dann in die Richtung der Leiste gezogen und in die Nagelspitzen eingehängt. Wir merken, daß das Einstellen der Zähne sehr wichtig ist, weil die Unterlage nicht berührt werden darf. Sie könnte sonst beim Spannen verschoben oder sogar zerrissen werden. Zu kurz eingestellte Zähne würden hingegen den Teppichboden nicht erreichen und bei Schlingenware möglicherweise den Flor beschädigen.
Wichtig ist das systematische Vorgehen, wie es Richard A. Kille demonstriert und beschreibt: „Fast immer wird in einer Raumecke mit dem Spannen der lose ausgelegten Teppichbodenfläche begonnen. Dort wird mit einigen Zentimetern Abstand zur Nagelleiste der Kniespanner auf den Teppich gelegt. Dann folgt der erste Kniestoß, der auf die Mitte der Ecke gerichtet ist. Das Bein soll sich beim Strecken in einer geraden Linie mit dem Kniespanner befinden, so daß bei der ruckartigen Bewegung die maximale Kraft wirksam wird.“
Anschließend wird der Teppichboden in die Nagelspitzen der Nagelleisten eingehängt. Wird nun der Kniespanner entfernt, so wirkt sich spürbar die Elastizität aus – der Bodenbelag bzw. die Rückseite zieht sich in die spitzen Nägel hinein. Auf diese Weise hängt man den textilen Bodenbelag zunächst rundum an den Wänden ein. Ein weiteres Werkzeug kommt nun zum Zug: Der Hebelspanner erzeugt die Spannkraft – wie sein Name bereits andeutet – durch Hebelwirkung; am besten nach einem bestimmten Spanndiagramm. In geringem Abstand zur Nagelleiste wird der Spannkopf des Hebelspanners auf den Teppichboden gelegt. Bei größeren Räumen überbrückt man mit Verlängerungsrohren den Abstand von Wand zu Wand.
Jetzt wird der Hebelarm gehoben und in pumpender Bewegung nach unten gedrückt, um die Fläche im jeweiligen Zugbereich unter Spannung zu setzen. Der Abstand zwischen Wand und Spannkopf sollte ausreichen, um den Teppichboden mit einer Spachtel auf die Nagelspitze zu drücken oder mit einem Reibebrett anzureiben, während man den Hebelarm langsam zurückkommen läßt. In dieser Verfahrensweise wird die gesamte Teppichbodenfläche faltenlos gespannt. Abschließend erfolgt das saubere Beschneiden der Kanten und Wandabschlüsse.
Wie bei allen Arbeitstechniken kommt auch beim Verspannen die Routine erst mit der Zeit nach mehreren Aufträgen. Möglich sind selbst aufwendige Techniken bis hin zur gestaltenden Teppichintarsie, die allerdings eine absolut perfekte Nahtbearbeitung erfordert. Um hier den angemessenen und richtigen „Einstieg“ zu finden, halten wir die Teilnahme an einem speziellen Fachseminar für unverzichtbar. Erst das praktische Kennenlernen von Werkzeugen, deren Handhabung und theoretische Hintergrundinformationen beinhalten das notwendige Rüstzeug, um die Dienstleistungspalette eines Malerbetriebs um dieses lohnende Arbeitsgebiet im Verlegebereich von Teppichböden zu ergänzen.
Unbedingt einzuhalten: Die Hauptspannung erfolgt bei gewebten Teppichböden in Nahtrichtung in dem hier wiedergegebenen ‚Spanndiagramm‘
Zeichnungen: Europäische Teppichgemeinschaft