Vorgaben der DIN 18 202 nicht immer ausreichend
Die DIN 18 202 „Toleranzen im Hochbau“ soll funktionsbezogene Toleranzen für ein passgenaues Zusammenfügen von Bauteilen definieren. In der Praxis bedeutet das, dass es allen am Bau beteiligten Gewerken möglich sein soll, vom vorgegebenen Meterriss ausgehend ihre Arbeiten so auszuführen, dass andere Arbeiten passgenau daran anschließen können.
Grundlage dafür bilden die Vorgaben des Planers, er muss im Vorfeld mögliche Toleranzen definieren oder Begrenzungen der Abweichungen festlegen, beispielsweise wenn höhere Anforderungen an die Passgenauigkeit gestellt werden als in der DIN 18 202 vorgesehen. Ein teilfiktives Beispiel aus der Praxis verdeutlicht, wie wichtig diese Planungsvorgaben sind.
Holzsockel in Trockenbauwand
Beim Neubau von mehreren Luxuswohnungen sollen Parkettdielen auf schwimmendem Estrich verlegt werden. Für die anzubringenden Sockelleisten wurde innerhalb der Trockenbauwand ein Profil integriert, in das 73 mm hohe Holzsockel wandbündig einzusetzen sind. Zudem ist geplant, dass unterhalb des Holzsockels eine 2 mm und oberhalb eine 5 mm breite Schattenfuge herzustellen sind. Mit Sicht auf den Systemaufbau – Grundierung, Spachtelung, Klebstoff, Mehrschichtparkettdielen, Sockelleiste – wurde eine Aufbauhöhe von Oberkante Estrich bis Oberkante Sockelprofil von 10,5 cm geplant.
Die so weit schlüssige und nachvollziehbare Planung konnte allerdings nicht in die Praxis umgesetzt werden. Der beauftragte Parkettleger fand erhebliche Abweichungen vor, die die Ausführung seiner Arbeiten unmöglich machten. So differierten die Höhen der Sockelprofile, in die die Holzsockel einzukleben sind, erheblich – das Sollmaß wurde mehrfach unter- sowie überschritten. Zudem wurde das in die Trockenbauwand eingelassene Metallprofil falsch verschraubt. Statt mit Senkkopfschrauben zu arbeiten, wurden Tellerkopfschrauben verwendet, die konstruktionsbedingt nicht bündig eingelassen werden können. Durch den Überstand der Schraubköpfe ist ein flächenbündiges Aufkleben der Holzsockel nicht möglich.
Erhebliche Ausführungsmängel
Da abgesehen von der Sockelproblematik auch in anderen Anschlussbereichen, wie zur Fliesenebene der Badezimmer oder an den Konvektorenschächten in den Fluren, deutliche Höhenunterschiede festgestellt werden konnten, ist von erheblichen Ausführungsmängeln anderer Gewerke auszugehen. Eine Bedenkenanmeldung des Parkettlegers sowie der sofortige Stopp der geplanten Ausführung war die Folge. Der Planer hatte die Aufgabe, die weitere Vorgehensweise zwischen den beteiligten Gewerken festzulegen und dem Parkettleger den Mehraufwand für die fachgerechte Herstellung der Anschlüsse zu vergüten.
Versäumnisse des Planers
Im Regelfall nimmt der Anspruch an die Passgenauigkeit mit fortschreitendem Ausbau eines Gebäudes zu, was auch in den Toleranzvorgaben der DIN 18 202 Berücksichtigung findet. So ist es beispielsweise für den Bodenleger möglich, die Ebenheit eines Estrichs durch das Auftragen einer Spachtel- oder Ausgleichsmassenschicht zu erhöhen. Werden allerdings Fertigteile wie im Trockenbau auf der Baustelle zusammengefügt, besteht nur noch eingeschränkt die Möglichkeit eines Passungsausgleichs vor Ort. Hier wäre es die Aufgabe des Planers, die Schnittstellen zwischen den einzelnen Gewerken zu koordinieren, Anforderungen an die Fügestellen besonders zu definieren und Teilleistungen regelmäßig zu kontrollieren.
Prüfpflicht im Sockelbereich
Aber auch bei der Montage „normaler“ Sockelleisten sind bereits exakte planerische Vorgaben notwendig, damit die Gewerke Estrich, Wand und Boden harmonieren. „Dabei müssen der Estrich und die Wand im Montagebereich mindestens der Zeile 3 beziehungsweise der Zeile 6, Tabelle 3, DIN 18 202, entsprechen. Darüber hinausgehende Anforderungen sind zu benennen“, so die Ausführungen im Kommentar zur ATV DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“. Nicht zu verkennen ist, dass auch bei der Montage von Sockelleisten eine Prüf- und Hinweispflicht besteht. Die Wandflächen sind im Sockelbereich auf Ebenheit, Feuchtigkeit und Tragfähigkeit zu untersuchen, um eine schadensfreie Befestigung sicherzustellen. Und: Sollen Sockelleistensysteme auf der Wand verklebt werden, müssen trennende Schichten wie Tapeten oder Farbbeschichtungen entfernt werden. Nachträglich auftretende Fugen zwischen Sockelleisten und Oberboden, die auf zeit- und lastabhängige Verformungen des Estrichs zurückgeführt werden können, stellen keinen Mangel dar.
Situation
In Luxuswohnungen sollen Mehrschichtparkettdielen mit Holzsockelleiste verlegt werden.
Problem
Die eingelassenen Profile in der Trockenbauwand weisen unterschiedliche Höhen auf.
Detail
Zudem wurden die Metallprofile zur Aufnahme der Holzsockelleisten mit Schrauben befestigt, deren Kopf hervorsteht: ein flächenbündiges Einkleben der Holzleisten ist so nicht möglich.
Wissenswertes
Im Kommentar zur ATV DIN 18 365 „Bodenbelagarbeiten“, 2017, heißt es im Punkt 3 „Ausführung“ unter anderem: „Die Überprüfung der Toleranzen erfolgt mit gewerkeüblichen Verfahren und Werkzeugen (Richtlatte, Wasserwaage, Messkeil). Weitere Angaben dazu sind der DIN 18 202 zu entnehmen. Grundsätzlich sind diese Abweichungen nur dort zu kontrollieren, wo dies aufgrund der funktionalen Anforderungen sinnvoll oder aufgrund konkreter Beanstandungen notwendig erscheint. Die Ebenheitsabweichungen der Oberfläche dürfen nach DIN 18 202, maximal Tabelle 3, Zeile 3, und die Winkelabweichungen nach DIN 18 202, Tabelle 2, betragen. Bei geforderten höheren Genauigkeiten, sind diese eindeutig zu vereinbaren, dies gilt auch für Übergänge in Türöffnungen. Bauteile, deren Abweichungen weder die technische Funktion noch die optische Gestaltung des Bauwerks beeinträchtigen, sollten keinen Anlass zu Auseinandersetzungen bieten, nur weil deren Genauigkeit nicht exakt dieser Norm entspricht.“
Fazit
Die in der DIN 18 202 angegebenen Maßtoleranzen beschreiben die im Rahmen üblicher handwerklicher Sorgfalt zu erreichende Genauigkeit – nicht mehr und nicht weniger. Ungenauigkeiten beim Messen oder bei der Ausführung sind unvermeidbar und finden in den Toleranzen der DIN 18 202 Berücksichtigung, so dass die vorgesehene Funktion der Bauteile zu erfüllen ist – gestalterische Anforderungen stehen dabei nicht im Vordergrund. Ebenso findet die DIN 18 202 für zeit- und lastabhängige Verformungen (beispielsweise aufschüsselnde Estrichrandbereiche) sowie für Höhenversätze zwischen benachbarten Bauteilen (beispielsweise Übergang zwischen zwei Bodenbelagflächen) keine Anwendung.
In den zuletzt genannten Fällen sowie bei erhöhten Anforderungen an die Gestaltung empfiehlt sich eine konkrete, objektspezifische Beschaffenheitsvereinbarung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.