Werbeaussagen müssen relativiert werden

In einem Online-Forum tauchte folgende Frage auf: „Darf man bügelfreie Hemden bügeln?“ Hintergrund des besorgten Fragestellers war die Befürchtung, dass durch Benutzung des Bügeleisens das Hemd die Eigenschaft „bügelfrei“ verlieren würde. Nun ließ sich anhand seines Pseudonyms weder das Geschlecht noch das Alter erkennen und auch die besorgten Antwortgeber blieben in diesen Punkten anonym.

Die richtige Lösung wurde zwar gegeben – ja, man darf -, aber ohne fachliche Erläuterungen. Aus den Antworten war zudem für jeden Mitleser erkennbar, dass „bügelfrei“ eine irreführende Werbeaussage ist, die mit der Realität wenig zu tun hat. Schon 1967 schrieb die Stiftung Warentest über den Vergleich von Herrenhemden: „Alle bügelfreien Baumwollhemden knittern nach einigen Wäschen, manche mehr, manche weniger. Ganz ohne Plätteisen geht es darum nicht mehr – wenn Sie hohe Ansprüche stellen.“

Käufer mit Erwartungshaltung

Wir bemühen diese Gegenüberstellung der beiden über 50 Jahre auseinanderliegenden Aussagen um zwei Aspekte zu verdeutlichen: Einerseits wurden in der Werbung schon immer Versprechungen gemacht, die in der Realität nicht (ganz) gehalten werden, und andererseits sind Verbraucher heute wie vor einem halben Jahrhundert für solche Versprechen empfänglich – oft ohne sie zu hinterfragen. Verstärkend kommt hinzu, dass moderne Konsumenten heute ganz andere Informationsmöglichkeiten und -quellen haben als früher und diese auch für sich zu nutzen wissen.

Auch wenn es immer gerne andersherum dargestellt wird: Viele Verbraucher informieren sich im Netz und kaufen dann im Handel.

Das Problem dabei: Sie tätigen ihren Einkauf mit einer durch ihre Recherche aufgebaute Erwartungshaltung, die der Verkäufer nur ungern widerlegen will – jetzt wo der potenzielle Kunde schon vor ihm steht. So werden wie selbstverständlich „vegane Teppiche“ und „ökologische Vinylböden“ angepriesen, die „feuchtraumgeeignet“ sind und „fugenlos“ auch im „Wintergarten“ verlegt werden können. Während der Kunde dazu die passenden Bilder aus Broschüren oder dem Internet im Kopf hat, denkt der Verkäufer nur an den erfolgreichen Abschluss des Auftrags und nicht daran, Aufklärung zu betreiben.


WINTERGARTEN
Designbeläge eignen sich auch für die Verlegung in Wintergärten. Nur im Kleingedruckten steht, dass Temperaturunterschiede am Boden zu Dimensionsveränderungen führen können. In der Praxis betragen diese schnell 15 Grad und mehr – ein Sonnenschutz ist unabdingbar.

Widersprüche aufklären

Dabei wäre es für ihn ein Leichtes, die Widersprüchlichkeit in den Aussagen einiger Anbieter darzulegen. Oft genügt der Blick in die Verlegeanleitung des beworbenen Produkts, um auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt zu werden.

Am Beispiel eines nicht mehr am Markt erhältlichen Designbelags wird deutlich, was gemeint ist. Während es im Flyer zum Produkt heißt „100 Prozent wasserfest“ und dazu Motive eines Badezimmers und eines überlaufenden Wassereimers gezeigt werden, ist die Aussage in der Verlegeanleitung deutlich differenzierter. „Das Produkt ist für Feuchträume nach DIN 68 800 mit einer langfristigen Luftfeuchtigkeit oberhalb von 70 Prozent geeignet. Es ist darauf zu achten, dass in Feuchträumen keine Nässe in die Fugen eindringt. Es eignet sich nicht für den Einsatz im Nassbereich.“


RAUMEINHEIT
Die Werbeaussage „fugenlose Verlegung“ führt beim Kunden zu der Annahme, auf Trennung des Belags in der Türlaibung verzichten zu können. Rein praktisch ist dies bei nahezu allen Belagsarten unrealistisch.

Ebenso konträr lesen sich diese Aussagen: Während im Hochglanz-Flyer die Rede von „hoher Formstabilität“ und „Ausgleich von Unebenheiten“ die Rede ist, heißt es in der Verlegeanleitung mit Hinweis auf die DIN 1 202: „Der Unterboden muss absolut eben, trocken, sauber und tragfähig sein. Bodenunebenheiten von mehr als 2 mm auf mindestens 1 m müssen ausgeglichen werden“.

Ebenfalls deutlich eingeschränkt wird die Prospektaussage „hervorragend für Großflächen geeignet“. Hierzu führt die Verlegeanleitung aus: „Maximale Verlegelänge 20 m. Zwischen Räumen oder in Räumen mit komplexen Grundrissen müssen immer Dehnfugen eingebaut werden.“

Und auch die Werbeaussage: „Dank seiner UV- Beständigkeit gibt er auch im Wintergarten eine gute Figur ab“, wird deutlich relativiert. Hierzu heißt es beispielsweise: „Bei bodentiefen Fenstern ist für ausreichend Beschattung und Belüftung zu sorgen. Durch Sonneneinstrahlung können die Temperaturen erheblich steigen und zu dauerhaften Verformungen des Bodens führen. Temperaturschwankungen sind so gering wie möglich zu halten“.


WASSERFEST
Designbeläge in Fliesen und Planken sollten im Bad nicht unter Wasser gesetzt werden. Auch wenn den Böden selbst das Wasser nicht schadet, kann es unter dem Belag zu Schimmelbildung führen.

Mit Fingerspitzengefühl

Diese Auflistung wäre beliebig und zudem produktübergreifend fortzuführen: Nicht nur bei Bodenbelägen, sondern auch bei Möbel- und Dekostoffen, Sonnenschutz, Tapeten und vielen anderen Produkten des Raumausstatters werden Grenzen des Materials oft nur im Kleingedruckten kommuniziert. Im Gegensatz dazu können die Werbebotschaften nicht plakativ genug aufgemacht sein. Viele der hier beispielhaft genannten Punkte ließen sich mit einem Appell an den gesunden Menschenverstand des Kunden nachvollziehbar erklären. Fingerspitzengefühl vorausgesetzt! Denn niemand lässt sich gern belehren, schon gar nicht, wenn er glaubt, sich zuvor einen umfassenden Überblick verschafft zu haben.

Wissenswertes

Im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) heißt es sinngemäß: „unlauter handelt, wer eine irreführende, geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist irreführend, wenn sie unwahre Angaben enthält oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben beispielsweise über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung, die Art und Ausführung, über Vorteile und Risiken oder die Zusammensetzung und Zwecktauglichkeit sowie die Verwendungsmöglichkeit.“

Und weiter: „geschäftliche Handlungen, die sich an Verbraucher richten oder diese erreichen, sind unlauter, wenn sie nicht der unternehmerischen Sorgfalt entsprechen und dazu geeignet sind, das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers wesentlich zu beeinflussen.“
gesamter Wortlaut unter: www.gesetze-im-internet.de

Fazit

Wer jetzt denkt, dass der pflichtbewusste Handwerker hier mal wieder die Kartoffeln aus dem Feuer holen muss, liegt nicht ganz falsch. Den Beipackzettel und das Kleingedruckte enthält die Industrie dem Konsumenten gerne vor und vertraut darauf, dass der Fachmann seinem Kunden schon erklären wird, wo die Grenzen seiner Produktwahl liegen. Dieser muss – schon allein um Schaden von sich abzuwenden – offen und ehrlich kommunizieren, was tatsächlich machbar ist und welche Einschränkungen bestehen. Immer auf die Gefahr hin, den Kunden an einen Mitbewerber zu verlieren, der es mit der Aufklärung nicht ganz so genau nimmt.

Ein Dilemma, aus dem Sie herauskommen, wenn Sie mit Erfahrung und Know-how Ihre Kunden überzeugen können, nur auf Ihre Empfehlung zu vertrauen. Schaffen Sie es dann noch, beim Bodenauftrag für den Wintergarten den Sonnenschutz gleich mit zu verkaufen, brauchen Sie sich über Hochglanz-Werbebotschaften nicht mehr aufzuregen.