Teil 3: Der richtige Umgang mit werkseitig vergüteten elastischen Bodenbelägen will gelernt sein – nur wie, wenn es wenig Informationen gibt?
Text: Jens Lehmann, Richard A. Kille Fotos: IFR Köln
Als sich Anfang Juli die Experten der Handwerks- und Industrieverbände zur siebten Gesprächsrunde Fußbodentechnik trafen (siehe Bericht auf Seite 10), waren auch PUR-Beschichtungen auf elastischen Bodenbelägen ein Thema, das kritisch diskutiert wurde. Der Tenor: Reproduzierbare Beschichtungen ab Werk oder besser noch Beläge ganz ohne werkseitige Beschichtung werden nach den Erfahrungen der Anwesenden vorgezogen.
Über die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Systeme in der Renovierung und Sanierung und die rechtlichen Konsequenzen der eng mit den Produkteigenschaften verknüpften Werbeaussagen, haben wir umfassend in den ersten beiden Teilen der Dokumentation berichtet. Unseren Wunsch nach mehr Offenheit in der Kommunikation von Industrie und Handel mit dem Handwerk, müssen wir nochmals unterstreichen: Nur gut informierte und ausgebildete Verleger werden diesen „neuen“ Produkten zum Erfolg verhelfen. Denn: Überwiegt die Skepsis – wie bei den Experten der jüngsten Gesprächsrunde Fußbodentechnik, und machen werkseitig oberflächenvergütete elastische Bodenbeläge mehr negative als positive Schlagzeilen, werden sie nie die Wertschätzung erfahren, die ihnen vielleicht gebührt.
Damit Sie aber schon heute „auf der sicheren Seite sind“, wenn Sie einen beschichteten Bodenbelag anbieten und verlegen wollen, haben wir für Sie zusammengetragen, was Sie wissen und beachten sollten. Da die Thematik in der Entwicklung ist, raten wir Ihnen, sich für konkrete Aufträge eingehend und wiederholt bei der Industrie zu informieren.
Belagswahl
Die wachsende Angebotsvielfalt setzt besondere Kenntnisse der Anbieter, ihrer Produkte und deren Grenzen und Möglichkeiten voraus. Ebenso ist es mehr denn je bedeutsam, Auftraggeber (Nutzer) über die richtige Reinigung und Pflege aufzuklären. Diese wiederum müssen dafür Sorge tragen, dass solche Informationen auch an das Reinigungspersonal weitergegeben werden.
Welcher Bodenbelag letztlich der richtige ist und welche Art der Oberflächenvergütung, hängt einerseits von der Produkt-Philosophie des Herstellers ab, und andererseits davon, ob der Auftraggeber (Nutze) diese Philosophie teilt. Unbestritten wird sich der elastische Bodenbelag am besten verkaufen, der bei hervorragender Optik die minimalsten Kosten im Unterhalt, also der Reinigung und Pflege, verursacht. Zwischenzeitlich gibt es aber auch Nutzer, die gelernt haben, dass die Philosophie des minimalsten Kosteneinsatzes für die Pflege und den Unterhalt häufig damit quittiert wird, dass bereits nach zwei bis drei Jahren eine aufwendige und teure Grundsanierung notwendig wird, die vorher nicht eingeplant war.
Aufklärungspflicht
Rechtsanwalt Ulrich Marx, Geschäftsführer im ZVR und BSR, hat bereits im Teil 2 auf die hohe Verantwortung der Anbieter gegenüber dem Auftraggeber hingewiesen. Nach wie vor gilt der Leitsatz: Die Reinigungs- und Pflegeanleitungen und/oder Hinweise sind grundsätzlich und nachweislich dem Auftraggeber zu übermitteln.
Damit sichergestellt ist, dass dieser bereits vor Zuschlag beziehungsweise Auftragserteilung weiß, welche Reinigungs- und Pflegeaufwendungen auf ihn zukommen, sollten diese bereits mit Angebotsabgabe überreicht werden. Auch Hinweise zu Schmutzschleusen in den jeweiligen Zugangsbereichen sollten gegeben werden.
Verarbeitung
Unter den üblichen Baustellenbedingungen werden werkseitig oberflächenvergütete Bodenbeläge – wie andere elastische Beläge auch – den Zeitraum von der Verlegung bis zur Abnahme nicht immer ohne Schaden überstehen. Nutzen andere Gewerke die frisch verlegten Flächen, sind mechanische Beschädigungen nahezu unvermeidbar. Auf Belägen ohne werkseitige Oberflächenvergütung kann eine Grundreinigung mit anschließender Aufbringung einer Pflegebeschichtung Vorschäden wieder „unsichtbar“ machen. Diese Maßnahme ist bei einigen oberflächenvergüteten Bodenbelägen nur noch begrenzt möglich. Denn wie bei einem versiegelten Parkett, sind Beschädigungen in den meisten Fällen nur durch Abschleifen und Neuversiegeln zu beheben.
Nahtschluss
Das thermische Verschweißen beziehungsweise Verfugen von elastischen Bodenbelägen war immer schon eine Präzisionsarbeit. Jetzt zeigt sich, dass verschiedene oberflächenvergütete Bodenbeläge einen besonderen Umgang mit dem Heißluftföhn verlangen, da der Scheitelgrad zwischen homogen verschweißt und thermischem Schaden der Oberflächenvergütung sehr eng ist.
Auch das Abstoßen der überstehenden Schweißschnur beziehungsweise des überstehenden Schmelzdrahtes mit dem Viertelmondmesser ist diffizil. Oberflächenbeschädigungen durch die Schneide des Messers an den Vergütungen/Versiegelungen sind nicht auszuschießen, sondern eher vorprogrammiert. Die Werkzeughersteller werden hierzu auf der Domotex 2008 die ersten marktreifen neuen Schweißdüsen, Messer und Hobel vorstellen.
Nachbehandlung
Es ist nachvollziehbar, dass die schmutzabweisende, leicht zu reinigende Wirkung der werkseitigen Oberflächenvergütung nicht den nachträglich aufgebrachten Schweiß- oder Schmelzdraht betreffen. Diese liegen im Rohmaterial „offen“ an der Oberfläche vor und schmutzen somit schneller an als der elastische Bodenbelag selbst. Auch aus diesem Grund ist eine vollflächige Einpflege bzw. das Aufbringen eines Pflegefilms als „Opferschicht“ eine sinnvolle „Schutzmaßnahme“. Ein Nahtbehandlungsmittel, wie es bereits von Forbo für Linoleum angeboten wird, scheint derzeit die sicherste Lösung zu sein, ein gleichmäßiges Erscheinungsbild zu gewährleisten.
Unterhalt
Die Unterhaltsreinigung und Pflege von elastischen Bodenbelägen wird insbesondere im Objektbereich üblicherweise durch das Personal von Gebäudereinigungsunternehmen durchgeführt. Doch selbst die höchste fachliche Qualifikation im Gebäudereinigerhandwerk reicht nicht aus, wenn der mit der Ausführung beauftragte Mitarbeiter keine Informationen darüber erhält, welche Art von Bodenbelag vorliegt und insbesondere welches System der werkseitigen Oberflächenvergütung eingesetzt wurde. Der Verleger kann hier kaum mehr Einfluss nehmen.
Die Kehrseite der Medaille
Dass sich Bauherrn und Auftraggeber wie Architekten oder Bauämter bei Sachverständigen, vor allem im Hinblick auf Fachfragen, kundig machen, ist Standard. In jüngster Zeit ist der Nachfragebedarf allerdings größer geworden. Immer öfter wird die grundsätzliche Eignung elastischer Bodenbeläge – ob Linoleum, Kaut-schuk, PVC oder alternative Kunststoffe – für ein bestimmtes Bauvorhaben infrage gestellt und hier insbesondere die Möglichkeiten der werkseitigen Oberflächenvergütungen hinterfragt.
Bei einigen, von der Industrie massiv umworbenen, Bauherrn stellt sich daher bereits die Frage: „Wenn werkseitige Oberflächenvergütungen so leistungsfähig sind wie ausgelobt, ist es doch egal, welche Art elastischer Bodenbelag unter der Versiegelung ist, oder?“ Grundsätzlich ist dieser Gedanke nicht falsch, denn, wenn es allein auf eine werkseitige Oberflächenvergütung ankommt – und die derzeitigen Marketingaussagen erwecken den Eindruck – gerät das eigentliche Bodenbelagsmaterial in den Hintergrund.
Während einige noch verunsichert mit Ihrer Materialwahl hadern, entscheiden sich andere lieber wieder für keramische Fliesen, die mit oder ohne werkseitige Oberflächenvergütung am einfachsten zu pflegen sind. Argumente wie verbesserte Raumakustik oder angenehmerer Gehkomfort, die elastischen Belägen zum Vorteil verhelfen könnten, sind dann schon verhallt, der Auftrag bereits vergeben.
Der Zentralverband für Raum und Ausstattung (ZVR) geht mit dem Obmann Bodenbelag in naher Zukunft auf den Fachverband der elastischen Bodenbelagshersteller zu, um die Möglichkeiten von gemeinsamen Schulungskonzepten zu prüfen. Ziel muss es sein, dass Bauherren bedarfsgerecht informiert und nicht verunsichert werden. Denn wichtiger als die Frage „Oberflächenvergütungen: Ja oder nein?“ ist es, „den Kampf“ zwischen keramischen Fliesen und Platten einerseits und elastischen Bodenbelägen andererseits im Sinne unserer Branche zu entscheiden.
Quellennachweis: RZ, Ausgabe 9/2007